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Rumänische WAZ-Krise

Christiane Hoffmann 27. September 2004

Die Medienwelt Osteuropas hat sich sehr verändert, seit zunehmend westeuropäische Verlage und Konzerne hier das Sagen haben. Auch der WAZ-Konzern mischt mit - und soll Druck auf die Redaktion ausüben.

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Zur Essener Mediengruppe gehören auch osteuropäische ZeitungenBild: dpa

Westeuropäische Medienkonzerne haben ihre Einflussbereiche weit nach Osten ausgedehnt und beherrschen in den meisten Ländern Mittel- und Osteuropas die Medienlandschaft. Dabei geht es den deutschen, österreichischen oder schweizer Verlagen vor allem um Marktanteile und Gewinne - so heißt es zumindest.

Politisch kritisch

Doch jetzt hegen die Redakteure der rumänischen Zeitung "Romanya Libera" Zweifel an den Motiven ihres Eigentümers, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Sie beschuldigen ihre Verlagschefs der politischen Einmischung in die Inhalte der Zeitung. Und das kurz vor den Wahlen im November 2004 in Rumänien. Denn die Zeitung "Romanya Libera" steht kritisch zur regierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD) und greift deren Politiker regelmäßig hart an.

Den deutschen Verlagschefs um Bodo Hombach, Sozialdemokrat und Ex-Kanzleramtsminister von Bundeskanzler Gerhard Schröder, werfen die Redakteure Parteinahme und zu intensive Kontakte mit der rumänischen Regierung vor.

Zukunft des Blattes sichern

Die WAZ bestreitet jegliche politische Einmischung in die inhaltliche Ausrichtung des Blattes. Das sei in drei Jahren, seit die WAZ 50 Prozent der Anteile von "Romanya Libera" besitzt, nie passiert. Es gehe lediglich um einen Relaunch - also eine Modernisierung der Zeitung -, so Bodo Zapp, Chefredakteur der "Westfalenpost" und redaktioneller Berater der WAZ-Gruppe für Osteuropa. Er bestreitet, dass der Bukarester WAZ-Vertreter auf die Redaktion Druck ausgeübt hat.

Der Verlag wolle die Zukunft des Blattes sichern, denn die Auflagen der Zeitung sinken stetig. So soll es in der Zeitung mehr Platz für Lifestyle-, Boulevard-Themen und Anzeigen geben. Und das in einem Blatt, das bisher vor allem politische Berichterstattung anbot.

Verleger sind keine Idealisten

Wer immer Recht hat in dem Streit, so ist er doch ein Beispiel für die Strategie der Verlage in Mittel- und Osteuropa. Er bestätigt einen Trend hin zu mehr Boulevard und plakativen Inhalten, egal ob in Print- oder elektronischen Medien. Die Verlage würden damit vor allem ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgen, sagt Jo Groebel, Direktor des Europäischen Medieninstituts.

"Es gibt einen zentralen Fakt und das ist das Publikum selbst. Wenn das sagt, 'wir sind nicht an ins Details gehenden politischen Analysen interessiert, sondern wollen unseren Kick haben'. Kein Verleger ist ein Idealist und sagt: 'Ich mache auf Dauer ein Verlustgeschäft, nur damit politisch hochwertige Informationen angeboten werden'", sagt Groebel.

Systemwechsel überlebt

So hätten vor allem populistische Meinungen Konjunktur und Verlage würden diese verstärkt aufgreifen. Denn das verkaufe sich besser. Allerdings würde auf die Redaktionen auch noch von anderer Seite Druck ausgeübt: von der Politik. Das sei in allen Ländern Mittelosteuropas - nicht nur in Rumänien - der Fall. So seien in Ungarn schon mal kritische Fernsehjournalisten aus dem Programm genommen oder die Finanzpolizei in die Redaktionen geschickt worden.

Auch in Rumänien haben die politischen Eliten den Systemwechsel fast schadlos überlebt. Eine Zeitung wie die "Romanya Libera", die mehr als 700 gerichtliche Klagen überlebte, ist für Einflussnahmen jeglicher Art besonders sensibilisiert.

Verlage sollen vor allem das wirtschaftliche Überleben der Zeitungen sichern. Allerdings sollten sie nach Ansicht des Medienwissenschaftlers Groebel auch die journalistische Kultur entwickeln. Doch in den wirtschaftlich äußerst schwierigen Märkten Mittel- und Osteuropas haben derzeit wirtschaftliche Interessen Vorrang - offenbar auch, wenn sie wie im Fall des WAZ-Konzerns politischen Interessen der Regierenden entgegenkommen.