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Rumänien und Bulgarien: EU-Beitritt "durch die Hintertür"

21. Dezember 2006

Ab 1. Januar 2007 hat die Europäische Union zwei neue Mitgliedsstaaten und 30 Millionen Bürger mehr. Anders als bei den vorangegangenen Erweiterungsrunden hält sich die Euphorie in Brüssel in Grenzen.

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Arbeit gibt es auch nach dem StichtagBild: European Communities

Das Groß-Transparent mit den Willkommensgrüßen an der Fassade des Kommissionsgebäudes hing nur vier Tage lang - bei der letzten Erweiterungsrunde im Mai 2004 gab es für die damals zehn neuen Staaten noch ein pompöses Fest inklusive Gipfeltreffen. Diesmal wird nur in den Hauptstädten der beitretenden Länder gefeiert. EU-Kommissionspräsident Jose Barroso hieß die zwei Neuen lediglich mit einer bescheidenen Feier im Europäischen Haus in Brüssel willkommen. Auch sonst wird um die Beitritte Rumäniens und Bulgariens in der EU-Zentrale nicht viel Aufhebens gemacht. Das böse Wort vom "Beitritt durch die Hintertür" macht schon länger die Runde.

Kommissare mit wenig Befugnissen

Die beiden neuen EU-Kommissare aus Bulgarien und Rumänien wurden vom Parlament ohne viel Brimborium bestätigt. Leonard Orban, ehemals Staatssekretär in der rumänischen Hauptstadt Bukarest, wird für "Vielsprachigkeit" zuständig sein. Was er dabei konkret machen soll, können sich die Parlamentarier noch nicht so genau vorstellen. Auch Meglena Kuneva, ehemalige Europaministerin aus Sofia, wird mit dem eher bescheidenen Ressort "Verbraucherschutz" abgespeist, das aus dem Ressort "Gesundheit und Verbraucherschutz" des zyprischen Kommissars Markos Kyprianou herausgelöst wurde.

Beitritt mit Makeln

Erweiterungskommissar Olli Rehn aus Finnland ist froh, dass der Beitritt überhaupt pünktlich klappt. "Ich bin zufrieden, dass beide Staaten große Sprünge bei ihren Reformen gemacht haben", sagte Rehn. "Diese Reformen müssen unumkehrbar sein, deshalb haben wir Sicherungsklauseln in den Beitrittsverträgen." Denn Rumänien und Bulgarien haben nach wie vor bei Justizreform und Korruptionsbekämpfung Defizite. Schon in drei Monaten müssen Bulgarien und Rumänien weitere Fortschritte nachweisen, sonst drohen Sanktionen.

Außerdem haben beide Länder von Anfang an mit Auflagen der EU-Kommission zu kämpfen: Fleischimporte in die EU bleiben wegen mangelnder Hygiene eingeschränkt. Zuschüsse aus EU-Kassen können wegen fehlender Verwaltungsstrukturen wahrscheinlich nicht in vollem Umfang ausgezahlt werden. Nur zehn Altmitglieder öffnen ihre Arbeitsmärkte für Rumänen und Bulgaren. Deutschland will wie Frankreich oder die Niederlande erst einmal für zwei Jahre keine Arbeitsgenehmigungen anbieten. Das war auch beim Beitritt der acht osteuropäischen Staaten vor drei Jahren nicht anders.

"Nicht Teil der Probleme werden"

Peinlich für Bulgarien: Die EU-Kommission droht, von Februar an bulgarischen Fluggesellschaften die Landerechte zu entziehen – wegen gravierender Sicherheitsmängel. Trotzdem gibt sich der bulgarische Ministerpräsident Sergej Stanischew zuversichtlich, dass Bulgarien Europa bereichern wird. "Die öffentliche Meinung in Bulgarien ist sehr EU-positiv", sagt er. "Wir treten mit dem festen Willen bei, nicht Teil der Probleme der Union zu sein, von denen es bereits reichlich gibt." Stattdessen wolle man Probleme konstruktiv lösen. Auch der rumänische Präsident Traian Basescu ist überzeugt, dass sein Land der Europäischen Union etwas zu bieten hat. "Europa wird ein bisschen sicherer und mächtiger werden. Der gemeinsame Markt wächst um insgesamt 30 Millionen Bürger", rechnet er vor. "Europa wird sich Schritt für Schritt weiterentwickeln."

Mehrarbeit überschaubar

Zwei neue Amtssprachen und das bulgarische Alphabet werden von Januar an den Übersetzerdienst der EU beschäftigen. Geräuschlos werden die neuen Richter aus Bulgarien und Rumänien beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ihre Arbeit aufnehmen. Für die Arbeit im Ministerrat ändert sich nicht viel. Ob 25 oder 27 Mitglieder da sitzen, macht keinen großen Unterschied, glaubt der deutsche EU-Botschafter in Brüssel, Wilhelm Schönfelder. "Wir haben einen erstaunlichen Effekt", erzählt Schönfelder, "wir sind mehr Leute als früher, brauchen aber weniger Zeit, um bestimmte Tagesordnungen abzuarbeiten, weil sich jeder kürzer fasst."

Deutschland hat ab 1. Januar die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union inne. "Ich werde meinen Silvesterabend in Rumänien und mein Neujahr in Bulgarien verbringen, um die beiden neuen Mitglieder zu begrüßen", ließ Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wissen.

Bernd Riegert, Brüssel
DW-RADIO, 21.12.2006, Fokus Ost-Südost