Ruanda hofiert Investoren
19. Januar 2010
Im Bourbon-Coffee, mitten in Kigalis erstem 24-Stunden-Einkaufszentrum, gibt es den ruandischen Kaffee in allen Geschmacksrichtungen. Mit den schweren Leder-Sesseln und den dampfenden Maschinen könnte das Café so auch in New York oder Berlin stehen. Der Laden habe hier genauso eingeschlagen wie in einer westlichen Stadt, erzählt Emmanuel Murekezi, Manager in diesem Ableger der Kette. 20 Jahre hat der gebürtige Ruander im Exil in den USA gelebt. Dass er 2006 zurückkehren konnte in ein wirtschaftlich aufblühendes Land, das liege, so ist er sich sicher, vor allem an Paul Kagame, dem Präsidenten des Landes. "Er ist wie ein Manager. Er muss also alles dafür tun, damit das Unternehmen Erfolg hat. Im Regierungs-Programm 2020 gibt es Ziele, die das Land erst in 10 oder 15 Jahren erreichen soll, aber die Dinge entwickeln sich sehr schnell."
Tatsächlich konnte das kleine Land in den vergangenen Jahren ein wirtschaftliches Wachstum von durchschnittlich sechs Prozent vorweisen. Mit seiner ehrgeizigen "Vision 2020" will Kagame den wirtschaftlichen Fortschritt vorantreiben. Über Kritk am autoritären Führunsgsstil des Präsidenten lächelt Emmanuel Murekezi. "Wenn es in einem Land eine Krise gegeben hat wie in Ruanda, dann muss man autoritär sein, um das Land zu regieren. Aber Kagame ist kein Diktator, er will nur, dass die Leute ihre Mentalität ändern und ihre Arbeit ernst nehmen, und die Korruption verringern."
Gutes Klima für Investoren
Draußen auf der Straße stellen Männer und Frauen in gelb-blauen Anzügen den parkenden Autos ihre Gebührenzettel aus. Im Zentrum der Hauptstadt flaniert man auf neuen Gehsteigen, die meisten Ampeln funktionieren. Was in anderen Städten der Region eine Seltenheit ist - hier scheint es zur Normalität geworden zu sein. Eine Ordnung, die auch deutsche Investoren schätzen. "Hier gibt es eine sehr niedrige Toleranzschwelle für Korruption. Selbst bei Verdacht auf Korruption werden schon Maßnahmen ergriffen", sagt Sigrid Bruch. Seit ein paar Jahren ist sie für die "African Development Corporation" in Ruanda. Der deutsche Investor ist beim ruandischen Unternehmen SIMTEL eingestiegen. Das Ziel: den elektronischen Zahlungsverkehr im Land aufbauen.
Bei der Eröffnung des Unternehmens hat der Präsident persönlich vorbeigeschaut. Seitdem hängt sein Foto am Eingang. Ernst blickt Kagame auf die Ein-, und Ausgehenden herab: Hageres Gesicht, gold gerandete Brille, dunkler Anzug. Ohne Umschweife erzählt Sigrid Bruch, dass er für sie die Stabilität garantiere. "Er ist einer der wenigen Politiker mit Integrität. Und das ist ausschlaggebend, das ist sehr, sehr wichtig. Er macht, was er sagt." Dass Kagame autoritär regiert, findet sie auch - und vergleicht ihn mit dem Vater einer schwierigen Familie, der an sich und seine Landsleute enorm hohe Erwartungen stellt. Da müsse man auch mal sagen: 'So machen wir das jetzt!'
Zwangsenteignung und Unterdrückung
Auf der anderen Seite der Stadt ist vom Glanz der Geschäftsfassaden nichts mehr zu sehen. Die Menschen, die in den Lehmhütten an den Abhängen von Kigali leben, merken nichts vom Wirtschaftsboom. Allenfalls im negativen Sinn: Ihre Behausungen müssen verschwinden. Die Stadt soll schön werden, aber natürlich rufen die Zwangsenteignungen Kritik hervor. Didas Gasana, Herausgeber einer der letzten unabhängigen Zeitungen im Land, fragt nach dem Preis für eine saubere Stadt: "Man vertreibt Familien, die hier seit 30 oder 40 Jahren leben. Und wenn sie dafür kompensiert werden, reicht das nicht einmal, um irgendwo anders ein Dach über dem Kopf zu haben." Der zierliche Mann hantiert mit drei Handys und versucht, nebenbei eine Zigarette zu rauchen. Im Moment, so erzählt er, stehe er unter einer einjährigen Gefängnisstrafe auf Bewährung. Die Gerichtstermine der Mitarbeiter der Zeitung UMUSESO seien mittlerweile zur Routine geworden. Kagames Kampf gegen die Korruption findet Gasana willkürlich. "Wir sehen, dass man die großen Fische außen vor lässt. Wir sind eigentlich froh, dass etwas gegen die Korruption getan wird, aber wir wollen, dass man auch die hohen Ebenen der Regierung erreicht. Und darüber schreiben wir."
Kritik an Regierung unerwünscht
Nicht ohne Konsequenzen. Viele Kollegen Gasanas sind bereits außer Landes, weil der Druck der Regierung nach den Veröffentlichungen zu stark wurde. Gasana will trotzdem weitermachen mit der kritischen Berichterstattung. "Auf der einen Seite sieht man die Hochhäuser, die in unserer Hauptstadt aus dem Boden schießen und auf der anderen Seite haben 15 Prozent unserer Bevölkerung nicht genügend zu essen. Es werden Kilometer von guten Straßen gebaut, und gleichzeitig haben etliche Überlebende des Genozids noch kein Dach über dem Kopf. Und wie kann man vom Frieden sprechen, in einem Land, in dem man seine Meinung nicht offen sagen darf?" Letzteres, so findet Didas Gasana, sei er seinen Lesern schuldig – und seinem Land.
Autorin: Christiane Kaess
Redaktion: Christine Harjes