Ausgegrenzt
23. November 2006Zwischen verrosteten Schaukeln, verdorrten Sträuchern und überquellenden Mülleimern spielen ein paar Roma-Jungen Fußball. Der trostlose Park liegt mitten im Prager Viertel Karlin, umgeben von herunter gekommenen, grauen Gebäuden und leer stehenden Geschäften: "Viele Wohnungen haben weder Strom- noch Wasseranschluss, die Arbeitslosigkeit liegt zwischen 90 und 100 Prozent und Kinder werden wegen mangelnder Sprachkenntnisse auf Sonderschulen abgeschoben", erklärt Eva Holečková.
Sie hat an einer Studie im Auftrag des tschechischen Arbeits- und Sozialministeriums mitgearbeitet, die nun Dramatisches zu Tage brachte: Wie den Prager Stadtteil Karlin gibt es über 300 ghettoähnliche Viertel, in denen Roma auf engstem Raum leben, in Armut, isoliert und seit Jahren von der Politik ignoriert.
Roma-Themen sind nicht schick
"Mit Roma-Themen kann man in Tschechien politisch nicht punkten", erklärt Holečková. "15 Jahre lang haben wir nicht gewusst, wie viele Armenviertel es hier gibt, wie viele Roma dort leben. Diese Studie gibt erstmals einen Überblick über die Gesamtsituation."
Die Mehrheit der rund 250.000 Roma in Tschechien gehört zu den Verlierern der Transformation in Osteuropa: "Tausende Roma hatten während des Kommunismus im Bergbau gearbeitet, diese Arbeitsplätze gingen nach 1989 verloren", erklärt Holečková. "Die tschechische Gesellschaft entwickelte sich immer weiter und die erlebten das Gegenteil, den sozialen Abstieg."
Faul und kriminell
"Die meisten Tschechen denken, Roma seien faul, kriminell und wollten nicht arbeiten", zitiert Jarmila Balážová eine Umfrage. Sie ist selbst Roma und erlebt Vorurteile und Diskriminierung häufig am eigenen Leib - obwohl sie zu den bekanntesten TV-Moderatorinnen Tschechiens gehört. "Mit meinem Job und einem Uni-Abschluss geht es mir besser als den meisten Roma, trotzdem werde ich zum Beispiel oft nicht in die Disco gelassen, weil ich Roma bin."
In der ostmährischen Stadt Vsetin hat der Bürgermeister Jiri Cunek eine schnelle Lösung für die Ghetto-Problematik gefunden: In einer Nacht- und Nebelaktion ließ er erst kürzlich rund 100 Roma auf ein Gelände außerhalb der Stadt zwangsumsiedeln. Auf erste scharfe Kritik von Parteikollegen sagte er, er sehe sich als "Arzt, der ein Geschwür entfernt" und die Anerkennung seiner Bürger folgte prompt: Mit großer Mehrheit wurde er kurz danach in den tschechischen Senat gewählt.
Hohe Kriminalitätsraten
Das erinnere an "Nazi-Rethorik", empört sich Marie Gailová. Sie ist Vorsitzende der Gesellschaft "Romodrom", die sich mit Projekten und Streetworkern für die Roma engagiert. Natürlich seien Armut, Prostitution und hohe Kriminalitätsraten unter Roma nicht nur böse Vorurteile, sagt sie, "aber das ist ein soziales Problem." Sie verweist darauf, dass es sich fast immer um Kleinkriminalität, Diebstahl oder Betrug handelt und eher selten um Gewalttaten und Mord. "Viele Roma sind arbeitslos und leben von umgerechnet 150 Euro Sozialhilfe im Monat. Und außerdem", fügt sie schmunzelnd hinzu, "sind Roma offenbar auch nicht die Geschicktesten beim Klauen, sie lassen sich immer erwischen."