Rohrzucker statt Zuckerrüben
18. Juli 2005Renate Künast ist zuversichtlich: Eine Einigung auf die umstrittene Reform des EU-Zuckermarktes im November sei möglich, sagte die Bundesagrarministerin. Am Rande eines Treffens mit ihren EU-Kollegen am Montag (18.7.2005) in Brüssel hob sie erneut die Notwendigkeit einer Reform hervor. Nach der verlorenen Klage im Streit um subventionierten Exportzucker bei der Welthandelsorganisation (WTO) gehe daran kein Weg vorbei. Der Vorschlag der EU-Kommission gehe in die richtige Richtung, sagte sie. Entscheidend sei, die wettbewerbsfähigen Zuckerstandorte zu erhalten. Schätzungsweise 6000 Rübenbauer protestierten in Brüssel gegen die Reform. Auf Transparenten warfen sie der EU die Vernichtung ihrer Existenz vor.
Dreimal so hoch wie der Weltmarktpreis
Nach 40 Jahren Abschottung muss sich Europas Zuckerindustrie auf harten Wettbewerb einstellen. Die garantierten, deutlich über dem Weltmarktniveau liegenden Preise für Rüben und Zucker sollen laut dem Kommissionsvorschlag drastisch gesenkt werden. Der EU-Zuckerpreis ist etwa drei Mal so hoch wie der Weltmarktpreis. Die Marktordnung läuft zum 1. Juli 2006 aus. Die Kommission will die neue Regelung bis zum Wirtschaftsjahr 2014/15 festschreiben.
Massiver WTO-Druck
"Wir brauchen eine Reform, weil wir ja die WTO-Klage verloren haben", sagte Künast. "Und wir würden in absehbarer Zeit auf vier Millionen Tonnen Zucker jährlich sitzen, mit denen wir einfach nichts mehr anfangen können." Die EU steht bei der Reform unter massivem Druck der WTO, unfaire Handelspraktiken aufzugeben. Brasilien, Thailand und Australien hatten Ende April ein Streitverfahren gewonnen. Die WTO erklärte, die EU verkaufe durch Subventionen künstlich verbilligten Zucker auf dem Weltmarkt.
Proteste der Rübenbauern
Zu den Protesten der Zuckerindustrie und der Rübenbauern sagte Künast: "Man hat sich in vielen Jahren auf diese Zuckermarktordnung eingestellt, man verdient damit gutes Geld." Aber die EU habe auch in anderen Agrarbereichen Reformen machen müssen. "Und jetzt geht es doch darum, zu schauen, wie schaffen wir es, die guten Standorte zu erhalten", sagte sie. "Und ich glaube, dass auch bei dem Modell, das die Kommission jetzt vorgelegt hat, der durchaus wettbewerbsfähige Standort Deutschland im Wesentlichen bestehen bleibt."
Preissenkungen in zwei Schritten
Die Preissenkungen sollen in zwei Schritten binnen zwei Jahren kommen. Für weißen Zucker soll der Preis um 39 Prozent verringert werden: Von derzeit 631,9 Euro auf 385,5 Euro je Tonne. Für Zuckerrüben soll der Preis um 42,6 Prozent herabgesetzt werden: von jetzt 43,6 Euro auf 25,05 Euro je Tonne.
Die Landwirte sollen zu 60 Prozent durch eine so genannte entkoppelte Prämie entschädigt werden. Das heißt, sie bekommen das Geld dann garantiert und unabhängig von der Menge der Produktion. Die Kommission plant zudem einen Topf für die Branche, um unrentablen Produzenten den Ausstieg schmackhaft zu machen. Im EU-Haushalt belaufen sich die Ausgaben für den Zucker auf rund 1,7 Milliarden Euro. Auch Zuckerfabriken, welche die Produktion einstellen, sollen für diesen Zweck Geld erhalten. (stu)