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Kunst

Robert Capa - Fotograf des Zweiten Weltkriegs

Klaudia Prevezanos
8. September 2020

Robert Capa machte die berühmten Bilder von Soldaten am D-Day. Doch der Mythos des bekannten Kriegsfotografen hat Kratzer bekommen. Zu Recht?

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Robert Capas Foto vom Soldaten in der Brandung ("Man in the Surf") ist das berühmteste Bild von der alliierten Invasion in der Normandie am 6.6.1944, dem D-Day. Bis heute ist unklar, wer der US-Soldat ist: sowohl Edward Regan als auch Huston Riley haben sich darin erkannt. (Copyright: Getty Images/AFP/P. Andrieu)
Bild: Getty Images/AFP/P. Andrieu

Die Aufnahmen sind verwackelt, unscharf. Und doch sicherten die elf Fotos, die Robert Capa am 6. Juni 1944, dem sogenannten D-Day, am Strand der Normandie machte, seinen Ruf als berühmtester Kriegsfotograf. Sie gehören auch 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu den Bildern, die weltweit in Erinnerung geblieben sind. Capa ging als einziger Fotojournalist bei der Invasion mit den US-Soldaten an Land. Er fotografierte sie von hinten im vollen Lauf auf den von deutschen Truppen verteidigten "Omaha Beach", wie die US-Militärführung den französischen Strandabschnitt nannte. Andere Aufnahmen, wie der "Mann in der Brandung" ("The Man in the Surf", siehe oben), zeigen Soldaten, die bis zum Hals im Wasser liegen oder in Deckung gehen. Ein waghalsiger und mutiger Einsatz - doch zuletzt wurde die Entstehung der Fotos und damit auch Capas Ruf als Kriegsfotograf in Frage gestellt.

"Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann bist du nicht nah genug dran"

Capas Karriere begann im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39), in dem er die Kämpfe der Republikanischen Truppen gegen den Hitler-Verbündeten General Franco fotografierte. Zusammen mit seiner Partnerin Gerda Taro begründete er einen neuen Stil des Fotojournalismus, indem die beiden mit kleinen tragbaren Kameras nah an die Kämpfe herangingen. Von Capa stammt der Spruch: "Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann bist du nicht nah genug dran." Taro kam bei ihrer Arbeit 1937 in Spanien ums Leben.

 Capa (l.) und Ernest Hemingway (r.) mit einem US-Soldaten in der Mitte in Frankreich im Juli 1944 (Foto: Imago Images/Everett Collection)
Kennen sich aus dem Spanischen Bürgerkrieg: Capa (l.) und Ernest Hemingway (r.) unterwegs mit den US-Truppen in Frankreich im Juli 1944Bild: Imago Images/Everett Collection

Robert Capa, 1913 in Budapest geboren, musste als Jude vor den Nationalsozialisten fliehen. Er ging von Berlin nach Paris, von wo aus er für seine Arbeit immer wieder nach Spanien fuhr. 1939 reiste er mit einem Besuchervisum in die USA ein. Hier konnte er seine guten Kontakte zu Journalisten, Fotografen und Autoren nutzen, um an Aufträge zu kommen. Robert Capa, der sich im Pariser Exil dieses Alias zugelegt hatte und eigentlich Endre Friedmann hieß, war nicht der einzige Kriegsfotograf des Zweiten Weltkriegs. Er galt aber - auch innerhalb der alliierten Truppen - als besonders mutig und ehrgeizig. In seinem Buch "Slightly Out of Focus" (etwa: "Leicht unscharf"), berichtet er - stark fiktionalisiert, wie er selbst schreibt - von seiner Arbeit im Zweiten Weltkrieg, aber auch von seiner Angst und seinem Antrieb. Capa wollte exklusive Fotos - und er wollte unbedingt bei der Invasion der Alliierten als Fotoreporter dabei sein. Das US-Militär nahm ihn in den kleinen Kreis der Berichterstatter über den geplanten D-Day auf, obwohl er als ungarischer Staatsbürger aus einem mit Nazideutschland verbündeten Land kam.

Exklusive Filmrollen: Vom Omaha Beach in die New Yorker Redaktion

Am D-Day kam es für den damals 30-jährigen Capa nicht nur darauf an, seinen Einsatz zu überleben. Er musste auch den Redaktionsschluss einhalten. Die Filmrollen mussten von der französischen Küste über den Kanal zurück nach London geschafft werden. Dort wurden sie entwickelt und der Militärzensor musste sein Okay geben. Ein Flugzeug stand bereit, um die Negative rechtzeitig über den Atlantik zum US-Magazin "Life" zu fliegen, für das Capa arbeitete.

Capas Bilder vom D-Day sind regelmäßig in Ausstellungen zu sehen (Copyright: Getty Images/AFP/R. Nederstigt)
Capas Bilder vom D-Day sind regelmäßig in Ausstellungen zu sehenBild: Getty Images/AFP/R. Nederstigt

Während Capas Aufnahmen auf dem Weg nach New York waren, wo auch die Texte zu den Bildern geschrieben wurden, blieb er bei den vorrückenden alliierten Truppen. Capas Fotos vom D-Day zählen nicht nur zu den bekanntesten Bildern des Zweiten Weltkriegs, sie trugen damals noch einmal erheblich zu seinem Ruf als exzellenter Kriegsfotograf bei. Vor dem D-Day hatte er unter anderem die Kämpfe in Nordafrika und den Vormarsch der Alliierten in Italien fotografiert. 1947 überreichte US-General Dwight D. Eisenhower Capa und 19 anderen Korrespondenten den Orden "Medal of Freedom". 

Robert Capa - mit dem Fallschirm über Nazideutschland abgesprungen

 US-Fallschirmjäger bei der Landung 1945  (Getty Images/Keystone/Hulton Archive/Robert Capa)
Capa fotografiert im März 1945 US-Fallschirmjäger bei der Landung in Nazi-Deutschland Bild: Getty Images/Keystone/Hulton Archive/R. Capa

Nach der Invasion in der Normandie saß Capa am 25. August 1944 bei der Befreiung seines geliebten Paris mit in einem Militärjeep. In der Nähe der deutschen Stadt Wesel sprang er im März 1945 zusammen mit US-Fallschirmjägern hinter die feindlichen Linien der Deutschen ab. Den Kampf um Berlin fotografierte Capa nicht. "Es gab für Capa noch eine Story, die er fotografieren wollte - die Befreiung von Leipzig", schreibt Alex Kershaw in seiner Capa-Biografie ("Blood and Champagne – The Life and Times of Robert Capa").

Nach Berlin kam Capa erst nach Kriegsende im Sommer 1945 und machte Aufnahmen von der befreiten Stadt und ihren Menschen. Mit dabei: der schwedische Hollywood-Star Ingrid Bergman. Die Liebesbeziehung der beiden begann im zerstörten Berlin und endete Anfang 1947. 

Was genau passierte am Omaha Beach?

Der Mythos des Kriegsfotografen Robert Capa wurde immer wieder auch in Frage gestellt. So hat Autor Allan Douglas Coleman im Juni 2014 einen Blog (capadday.com) begonnen, in dem er und andere versuchen, die Ereignisse am D-Day nachzuvollziehen. Darin wird die bis heute erzählte Entstehung der Bilder vom D-Day zum Teil in Frage gestellt.

Zusammengefasst lautet die Kritik auf Grundlage der Recherchen, dass Capa später als bislang angegeben am Omaha Beach gewesen sei - zu einer Zeit, als die schlimmsten Kämpfe bereits vorbei gewesen seien. Auch habe er nicht so lange am Strand ausgeharrt, wie bisher angenommen. Dabei soll Capa auch deutlich weniger Fotos gemacht haben, als von ihm angegeben. Womöglich sogar nur die elf bislang bekannten Aufnahmen. Und: Die Geschichte der "Life"-Redaktion, dass die übrigen Filme von einem Fotolaboranten in London durch Hitze zerstört worden seien, sei technisch nicht möglich.

Hat Capa nur die berühmten elf Aufnahmen am D-Day gemacht?

Der 2017 verstorbene "Life"-Herausgeber John Morris, 1944 verantwortlich für die Veröffentlichung von Capas Normandie-Fotos, sagte im November 2014 beim US-Sender CNN gegenüber der Journalistin Christiane Amanpour, dass anscheinend auf den geschmolzenen drei Filmrollen nie Aufnahmen waren. "Experten haben kürzlich gesagt, es sei nicht möglich, die Filmbeschichtung so zu schmelzen - und dass er damit nie Fotos gemacht habe", sagte Morris. "Heute glaube ich, es ist durchaus möglich, dass Bob einfach alle seine 35 Millimeter-Filme zusammengepackt und nach London geschickt hat, in dem Wissen, dass auf einer der Filmrollen die Bilder sind, die er an dem Morgen gemacht hat."

Irme Schaber, Biografin von Capas Partnerin Gerda Taro, hält es für "nicht undenkbar, dass Capa die möglicherweise magere Ausbeute von Omaha Beach mit kuriosen Geschichten garnierte, die ablenken und Aufmerksamkeit schaffen sollten. Da kannte er keine Skrupel, das ist bekannt. Das rein Militärische war Capa auch nie so wichtig, für ihn stand das Menschliche im Vordergrund", so Schaber im Gespräch mit der DW. Sie hat 2007 zusammen mit dem International Center of Photography, das den Capa-Nachlass in New York verwaltet, die erste Gerda Taro-Ausstellung kuratiert.

Anhaltende Diskussion um "The Falling Soldier"

Eine Frau betrachtet das Bild "The Falling Soldier" von Robert Capa (Foto:l picture-alliance/dpa/S. Pilick)
"The Falling Soldier" - eine Fotoikone von Robert CapaBild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Bereits Capas berühmtes Foto "The Falling Soldier" ("Der fallende Soldat") aus dem Spanischen Bürgerkrieg wurde erstmals in den 1970ern angezweifelt. Hier geht es bis heute um die Frage, ob das Bild echt oder der Tod des Soldaten im Moment der Aufnahme simuliert war. Sicher ist, dass Capa und Gerda Taro sich im Spanischen Bürgerkrieg nicht als unbeteiligte Beobachter verstanden haben, sondern auf Seiten der Republikanischen Truppen und Bevölkerung gegen Franco standen.

Autorin Schaber meint dazu: "Das Foto vom 'Falling Soldier' ist ein mediengeschichtliches Lehrstück, das weit über den Fotografen Capa hinaus Fragen aufwirft. Dieser andauernde Diskurs ist notwendig und spannend und sorgt dafür, dass diese frühe Bildikone lehrreich ins digitale Zeitalter übertragen wurde." In beiden Beispielen, auch bei den Bildern vom D-Day, komme hinzu, dass die Frage nach der Wahrheit im Krieg besonders schwer wiege.

Die Stunden des 6. Juni 1944 am Omaha Beach nachzuvollziehen, ist schwierig und nicht abgeschlossen. So ist bis heute nicht endgültig geklärt, wer der Mann auf dem berühmtesten Capa-Foto eines US-Soldaten in der Brandung ist. Sowohl Edward Regan als auch Huston Riley haben sich darin wiedererkannt. Foto- und militärhistorische Nachforschungen wie zum D-Day hält Schaber, die selbst lange zur Geschichte von Gerda Taro geforscht hat, auch heute noch für erforderlich und wichtig.

"Robert Capa war ein großartiger Künstler und Fotograf"

Robert Capa 1954 (Foto: Imago/United Archives International)
Robert Capa im Indochina-Krieg 1954 Bild: Imago/United Archives International

Für Capa-Biograf Kershaw ändern Fragen um die Entstehung der Bilder nichts. "Sie sind die besten Bilder vom D-Day und waren echt. Sie sind fantastisch", so Kershaw gegenüber der DW. An Robert Capa als einem der berühmtesten Kriegsfotografen würde das ebenfalls nichts ändern, sagt der Journalist und Autor: "Er war ein großartiger Künstler und Fotograf", so Kershaw, ein "Rockstar" seiner Zeit.

zwei Frauen knien auf einem Friedhof, eine hält ein Kleinkind in den Armen  (Foto: picture-alliance/CPA Media Co. Ltd/Robert Capa)
Capa fotografierte im Krieg nicht nur Kämpfe - zwei Frauen während des Indochina-Kriegs Bild: picture-alliance/CPA Media Co. Ltd/R. Capa

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete Capa zusammen mit den Fotografen Henri Cartier-Bresson, David Seymour (Chim) und George Rodger die Fotoagentur Magnum - sie gilt bis heute als eine der renommiertesten. Capa fotografierte noch zwei weitere Kriege: den ersten arabisch-israelischen Krieg nach der Staatsgründung Israels 1948 - eine Arbeit, die ihm sehr wichtig war - und den Französischen Indochina-Krieg (1946-1954). Capa soll immer genau entschieden haben, für welchen Krieg er als Fotograf sein Leben riskierte und für welchen nicht. Nach Indochina wollte er eigentlich nicht. Warum er doch noch gefahren ist, bleibe eine emotionsgeladene Frage, schreibt Biograf Kershaw. Eine Vermutung lautet, dass ihm die Arbeit im Krieg gefehlt hat. Capa, der Spieler, brauchte aber auch dringend Geld. Vielleicht wollte er auch seinen Ruf als Kriegsfotograf erneuern, so eine weitere These.

"War das Risiko es wert, um mit 40 zu sterben?"

Am 25. Mai 1954 begleitete der 40-Jährige eine französische Einheit im Einsatz gegen kommunistische Vietminh-Soldaten. Dabei ging er etwas abseits in ein Feld, trat auf eine Mine und wurde tödlich verletzt. Seine Kamera soll er noch festgehalten haben. Wenn Biograf Kershaw die Chance bekäme, Capa heute zu treffen, hätte er zwei Fragen: "War das Risiko es wert, um mit 40 zu sterben?" Und: "Wie ist das, wenn Ingrid Bergman wie verrückt in dich verliebt ist?"