Agentenparodie "Codename U.N.C.L.E."
12. August 2015Tom Cruise in "Mission Impossible" hat bereits zwei Wochen auf dem Buckel, auf James Bond müssen die Kinozuschauer weltweit noch bis zum Herbst warten. Die Zeit dazwischen kann man sich jetzt mit einem Film verkürzen, der sich ganz eng an die großen Vorbilder anlehnt, dazu aber in Sachen Humor und Ironie die Konkurrenz weit hinter sich lässt.
Und fast so alt wie James Bond ist das filmische Vorbild, auf das sich der Kinofilm "Codename U.N.C.L.E." beruft, noch dazu. "The Man from U.N.C.L.E." (lief in Deutschland damals unter dem Titel "Solo für O.N.C.E.L.") hieß die populäre US-amerikanische Fernsehserie, die in den Jahren 1964 bis 1968 ausgestrahlt wurde, ihren Hauptdarsteller Robert Vaughn zum Star machte und mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde.
James-Bond-Persiflage
Die erste James Bond-Verfilmung flimmerte 1962 über die Leinwände. Und man kann nun wahrlich nicht behaupten, dass Sean Connery alias James Bond im Kampf gegen die Bösewichter der Welt ohne Ironie auskam. Doch die TV-Serie trieb das dann zwei Jahre später in Sachen Witz und Ironie noch auf die Spitze. Die Kinoneuverfilmung steht dem in nichts nach.
"Codename U.N.C.L.E." bietet ein Feuerwerk aus Action und Humor, hastet von einem Schauplatz zum nächsten, geizt nicht mit kantigen, gut frisierten männlichen Helden und umwerfend attraktiven Darstellerinnen in schönem Dresscode.
Amis und Russen in gemeinsamer Mission
Während es bei James Bond und Ethan Hunt ("Mission Impossible") bei aller Leichtigkeit immer noch wichtig ist, wer am Ende die Nase vorn hat, wird die Komik bei "Codename U.N.C.L.E." derart auf die Spitze getrieben, dass es einem als Zuschauer irgendwann egal sein dürfte, wer da gegen wen antritt. Hauptsache, es gibt was zu lachen. Das gelingt den Machern des 75-Millionen-Dollar-Films recht gut.
Schon die TV-Vorlage wartete mit dem erstaunlichen Drehbucheinfall auf, dass der amerikanische CIA-Agent Napoleon Solo und sein russischer KGB-Kollege Ilya Kuryakin gemeinsam gegen Oberschurken antreten, die die Welt mit Atomwaffen überziehen wollen. Man darf nicht vergessen: "The Man from U.N.C.L.E." entstand damals auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Die Supermächte USA und Sowjetunion standen sich Auge in Auge gegenüber, die Invasion in der Schweinebucht lag genau wie der Bau der Berliner Mauer gerade einmal drei Jahre zurück.
Auch Deutsche mischen mit
Die Kino-Neuverfilmung hat dieses erstaunliche Appeasement-Konzept übernommen. Napoleon (Henry Cavill) und Ilya (Armie Hammer) verbünden sich gegen ein Verbrechersyndikat, das die Welt mit Nuklearwaffen bedroht. Ein deutscher Atomwissenschaftler (Christian Berkel) hält den Schlüssel für die Lösung des Falles in der Hand, doch der ist spurlos verschwunden. Einzig seine hübsche Tochter kann die beiden Agenten zum Ziel führen.
Was folgt, ist das ewig gleiche Konzept des Agentenfilm-Genres: Verfolgungsjagden zu Lande, zu Wasser und in der Luft, Schießereien, Giftanschläge, Mordkomplotte, etc. Doch "Codename U.N.C.L.E." ist ein klassisches Beispiel für Kino, bei dem sich die Form über den Inhalt schiebt, die glänzend polierte Oberfläche wichtiger wird als Story und Handlung.
Wenn das so gekonnt zur Schau gestellt wird wie im vorliegenden Fall, wenn der Zuschauer Spaß hat an der reinen Bewegung, an glänzenden Bildoberflächen und dem überbordenden Spiel der Darsteller, dann kann das durchaus zum Vergnügen werden.
Britischer Regie-Star
Verantwortlich für das Gelingen des Films war ja auch nicht irgendwer. Der britische Regisseur Guy Ritchie hat sich mit seinem bisherigen Oeuvre zu Recht den Ruf eines Kultregisseurs erworben. Der zeitweilige Ehemann von Popstar Madonna hatte mit seinen ersten beiden Filmen ("Bube, Dame, König, grAS" von 1998 und "Snatch - Schweine und Diamanten" aus dem Jahr 2000) dem schnellen, ironischen Gangster-Genrekino neues Leben eingehaucht und mit zwei Neuadaptionen der Sherlock-Holmes-Saga weltweite Kassenhits gelandet.
In "Codename U.N.C.L.E." zeigt er sich als Meister des Retro-Schicks. Ritchie und sein Team lassen die 1960er Jahre wieder auferstehen. Im Zusammenspiel von Bild und Musik, Schnitt und Montage ergibt sich beim Zuschauer ein wahres Déja-Vu-Erlebnis. Wenn Solo und Ilya in ihren auf den Leib geschnittenen und niemals verrutschenden Maßanzügen in den tollsten Actionszenen stets Ruhe bewahren, dann ähnelt der Film eher einem Comic als halbwegs realistischen Vorbildern. Doch er ist dabei immer geschmackvoll anzusehen.
Bunte Pop-Welt auf der Leinwand
Und wenn die weiblichen Charaktere in jeder Szene ein neues poppig gestyltes Kostüm überstreifen, dazu die die Popmusik aus besagter Zeit erklingt, das ganze mit schnellen Schnitten auf Hochleistungsunterhaltungskino getrimmt ist, dann stellt sich phasenweise pures Kino-Vergnügen ein.
Guy Ritchie hat sich auch als Werbefilmer einen Namen gemacht, hat Spots für BMW, Nike und Nespresso gedreht und Musikvideos für Madonna – das sieht man seinem neuen Film an. Die Kunst der Oberflächenpolierung im Kino beherrscht der Brite bis zur Vollendung. Zusammen mit dem Charme der 60er Jahre ist das atmosphärisch durchaus reizvoll.