Reporter-Tagebuch: Swasiland
27. Mai 2010Unsere Route: Johannesburg – Swaziland – und zurück.
Dabei legen wir knapp 2000 Kilometer zurück. Wir, das sind mein Kamera-Team und ich.
Die Autobahn vom südafrikanischen Johannesburg Richtung Osten ist eine der meist befahrenen Strecken des Landes – eine reine Rennpiste. 120 Kilometer pro Stunde sind erlaubt, doch darum schert sich kaum einer. Trotz Fußgängern, die die Autobahn überqueren, trotz riesiger (oft) überladener Lastwagen, schrottreifer Jeeps und überfüllter Minibusse. Leitplanken gibt es nicht, dafür aber jede Menge Schrott auf der Fahrbahn, darunter ein großer Plüsch-Teddybär.
Auch wir werden einmal geblitzt. Doch durch charmantes Zureden und der Beteuerung, sich künftig immer an die erlaubte Geschwindigkeit zu halten, bezirzt mein Kameramann die Polizistin und quatscht die Strafe von 500 Rand (etwa 50 Euro) auf 100 Rand runter.
Dass wir zu dritt in einem Zweisitzer-Pickup sitzen, wird bei der Kontrolle nicht thematisiert.
Etwas ärmer und viel langsamer fahren wir weiter. Während der Abenddämmerung erreichen wir die Grenze nach Swaziland.
Autofahren ist hierzulande reines Schicksal
Hier lauern ähnliche Gefahren, nur das die Straßen noch schmaler, löchriger und vor allem kurviger sind. Die Dunkelheit kommt schnell, Menschen, Kühe und Ziegen auf der Straße sind kaum noch zu erkennen. Mein Fahrer fährt entsprechend langsam. Wir werden waghalsig überholt, vor allem vor steilen Bergkuppen und engen Kurven. Ich versuche, gelassen zu bleiben, mache einfach die Augen zu. Mein Chauffeur lacht. „Selber vorsichtig fahren ist das eine“, sagt er, „aber im Grunde genommen ist das Autofahren hierzulande reines Schicksal.“
Er kennt sich aus in Afrika.
Was mich schließlich beruhigt, ist die Gewissheit, dass mein Team seine Führerscheine wirklich gemacht und nicht wie viele andere Autofahrer des Landes gekauft haben.
Das Königreich Swaziland hat nur eine kurze Autobahn, sie verbindet die Hauptstadt Mbabane mit dem Handelszentrum Manzini. Die Strecke ist etwa 30 Kilometer lang – und gilt als eine der weltweit unfallreichsten Straßen. Auch wir sehen einige kaputtgefahrene Autos am Straßenrand. Später lese ich, dass es in Swaziland im Verhältnis 25 mal mehr tödliche Autounfälle gibt als in Deutschland.
Von den 3600 Straßen-Kilometern sind nur gut ein Viertel geteert, entsprechend fahren wir viel über Sandpisten. Mit dem Pickup kein Problem. Wir durchqueren sowohl das subtropische „Lowfeld“ als auch das gebirgige „Highfeld“. Wir fahren Serpentinen-Straßen und genießen die atemberaubende Schönheit des Landes. Wir stoppen an Abgründen, die mehrere hundert Meter in die Tiefe gehen. Diese Strecken sollte man nicht in der Dunkelheit fahren.
Nein, kein Problem, ich wasch' mein Auto
Das gilt auch für das Durchqueren von Flüssen. Denn viele Brücken in Swaziland sind nicht über Wasser, sondern knapp unter Wasser gebaut. In der Regenzeit sind diese Strecken häufig nicht passierbar. Wir haben Glück und kommen durch. Dabei treffen wir auf einen Fahrer, der von der Fahrspur abgekommen scheint. „Sollen wir Sie rausziehen?“, fragen wir den Mann. „Nein, nein, kein Problem“ antwortet er grinsend, „Ich wasche mein Auto“. Wir unterhalten uns noch eine Weile, drehen ein paar Bilder und verursachen dadurch einen Stau im Fluss. Alle warten geduldig, bis wir fertig sind.
Zum Schluss werden meine Nerven noch einmal auf eine harte Probe gestellt. Auf dem Rückweg nach Johannesburg durchfahren wir eine Nebelfront. Die Sichtweite höchstens 10 Meter. Wer hat, fährt mit Warnblickanlage, um wenigsten ein bisschen gesehen zu werden.
Kaum haben wir wieder etwas Sicht, kommt der große Regen. Ein Gewittersturm mit Platzregen, der sich über quälende 250 Autobahn-Kilometer hinzieht. Ohne Verschnaufpause. Meine Augen kleben an der Windschutzscheibe – ich halte Ausschau nach unbeleuchteten Fahrzeugen. Mein Kameramann am Steuer orientiert sich an der Seitenmarkierung der Straße. Wir reden kaum. Nur unser Tonmann, der einzige echte Afrikaner unter uns, bleibt von der Odyssee unbeeindruckt. Er weiß, Adrenalinstöße und Herzattacken bringen einen in solchen Situationen auch nicht weiter. Vermutlich hat er Recht.
Autorin: Inga Sieg
Redaktion: Klaus Esterluß