Reporter ohne Grenzen: Immer mehr Journalisten inhaftiert
16. Dezember 2021Es sind keine guten, es sind bedrohliche Zeiten für Journalistinnen und Journalisten fast überall auf der Welt: Autoritäre Regime wie die in Belarus, in China oder in Myanmar gehen immer ungezügelter gegen die Demokratie-Bewegungen in ihren Ländern vor.
In den westlichen Demokratien, in Europa und in den USA, bedrohen Populisten und Verschwörungs-Theoretiker die freie Berichterstattung, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie. Gründe genug für die Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RoG), in ihrer aktuellen Jahresbilanz der Pressefreiheit Alarm zu schlagen. Fazit des Jahresberichts: Immer mehr Medien-Schaffende werden wegen der Ausübung ihres Berufs willkürlich verhaftet.
Zahl der Ermordeten geht leicht zurück
Die Zahl der Medien-Schaffenden, die 2021 in Ausübung ihres Berufes ermordet wurden, ist mit 46 die geringste seit vielen Jahren. Als Grund dafür nennt RoG, dass regionale Konflikte wie die in Syrien, im Irak und im Jemen sich zuletzt eher beruhigt haben.
RoG-Vorstandsmitglied Katja Gloger ergänzt: "Die gefährlichsten Länder sind erneut Mexiko mit sieben und Afghanistan mit sechs getöteten Journalistinnen und Journalisten. Im Jemen und in Indien wurden 2021 jeweils vier Medienschaffende getötet."
65 Journalisten gelten als entführt, die meisten wurden in Syrien, dem Irak und dem Jemen verschleppt.
So viele Inhaftierte wie noch nie
2021 wurden weltweit mindestens 488 Journalistinnen und Journalisten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit inhaftiert. Das ist die höchste Zahl, die die Organisation jemals festgestellt hat. 103 von ihnen gelten dabei als nicht-professionelle Journalisten, sie sind Aktivisten und zumeist in sozialen Netzwerken aktiv.
22 Menschen sind in Haft, weil sie als Kamerafrauen oder -männer gearbeitet haben. Um ein Drittel hat sich die Zahl der Frauen erhöht, die bedingt durch ihren Beruf als Journalistin im Gefängnis sitzen. Reporter ohne Grenzen berichtet von 60 inhaftierten Frauen, die meisten von ihnen in China.
Hauptverursacher: China, Belarus und Myanmar
Drei Länder macht die Organisation im Wesentlichen für die Steigerung der Inhaftierten-Zahl verantwortlich: In China zählt RoG 127 Inhaftierte, in Belarus 32 und in Myanmar 53. Im Bericht heißt es dazu, das seien drei Länder, "deren Regierungen nicht dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach Demokratie nachkommen. Das Ausmaß dieser Zahlen ist auch ein Indiz für das zunehmend unerbittliche Vorgehen gegen unabhängige Medien".
Katja Gloger analysiert: "Der sprunghafte Anstieg ist auch die Folge neuer geopolitischer Machtverhältnisse, in denen diese Regime zu wenig Gegenwind und Gegenwehr von Seiten der Demokratien in der Welt bekommen."
Ein Beispiel: In Belarus gelingt es Machthaber Alexander Lukaschenko nur noch mit brutaler Gewalt, die Proteste gegen sein Regime im Zaun zu halten. Über 500 Journalistinnen und Journalisten wurden verhaftet, die meisten nur vorübergehend. Aber Russlands Präsident Wladimir Putin stützt den Autokraten, Sanktionen der EU hatten nicht die erwünschte Wirkung. Zuletzt machte die Verurteilung des bekannten Bloggers Sergej Tichanowski zu 18 Jahren Haft in einer Strafkolonie Schlagzeilen.
In Myanmar, heißt es im RoG-Bericht, ist die Zahl der Journalisten hinter Gittern nach der Machtübernahme der Militärs Anfang Februar diesen Jahres sprunghaft auf 53 gestiegen, während im Jahr davor nur von zwei Inhaftierten berichtet wurde.
RoG: Hongkong war einst Bastion der Pressefreiheit
In China stehen die Inhaftierungen auch im Zusammenhang mit der immer größeren Kontrolle der Regierung in Peking über Hongkong. Der RoG-Bericht erinnert: "Die Sonderverwaltungszone war einst eine Bastion der Pressefreiheit, in der keine Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis waren."
Weiter heißt es: "Doch ein von Peking 2020 verabschiedetes Sicherheitsgesetz diente dort bis zum Stichtag 1. Dezember diesen Jahres als Vorwand für die Festnahme und Inhaftierung von mindestens zehn Medien-Schaffenden."
Einzelschicksale: Julian Assange, Peter de Vries, Shahnaz Roufi
Hinter jeder oder jedem ermordeten oder inhaftierten Journalisten stehen Schicksale und Namen. Shahnaz Roufi war eine afghanische Journalistin und wurde im März von islamistischen Kämpfern umgebracht. Der Mord an dem Kriminal-Reporter Peter de Vries erschütterte die Niederlande.
Aktuell wohl am meisten Aufmerksamkeit hat weltweit der Fall des australischen Wikileaks-Gründers Julian Assange. Ein britisches Berufungsgericht hob am Freitag das Verbot einer Auslieferung des 50-Jährigen an die USA auf. Dort drohen ihm 175 Jahre Haft.
1985 gegründet, arbeitet die Organisation "Reporter ohne Grenzen" von ihrem Hauptquartier in Paris aus sowie mit 13 regionalen Büros in über 130 Ländern für die Pressefreiheit.