Regimewechsel könnte große Folgen haben
26. März 2011Die immer stärker werdenden Proteste fordern mittlerweile auch Baschar al-Assad heraus, der als Sohn des ehemaligen Präsidenten Hafiz Syrien seit dem Jahr 2000 uneingeschränkt regiert. "Das Regime in Damaskus kann sich diesem Trend nicht widersetzen", meint Islamwissenschaftler Udo Steinbach. Dennoch glaubt André Bank vom Giga-Institut für Nahoststudien in Hamburg, dass der jüngste Spross der syrischen Herrscherdynastie momentan noch "fest im Sattel" sitzt. Im Gegensatz zu den autoritären Präsidenten in Tunesien, Jemen und Ägypten sei Assad nämlich relativ beliebt bei den jungen Menschen. "Man hat bisher immer noch einen Unterschied zwischen dem Präsidenten und der alten Elite gemacht", sagt André Bank.
Sozialistische Erbdiktatur einer religiösen Minderheit
Baschar al-Assads Vater, Hafiz al-Assad, hatte sich 1971 an die Macht geputscht und das Land mit Notstandsgesetzen und strenger Hand regiert. Nachdem er die Macht an seinen Sohn abgegeben hatte, glaubten viele Experten, Assad werde eine Wende einleiten. Aber der in London ausgebildete Augenarzt hielt an dem sozialistischen Blockparteiensystem und der Unterdrückung der Opposition durch den allgegenwärtigen Sicherheitsdienst fest. Auch die wirtschaftliche Lage hat sich seither nicht verbessert. Die Jugendarbeitslosigkeit in Syrien liegt Schätzungen zufolge bei 20 Prozent.
In der "ökonomischen Frustration, der Korruption und mangelnder Partizipation" sieht Udo Steinbach, der am Zentrum für Nah- und Mittelost-Studien an der Universität Marburg lehrt, auch die Gründe für den Aufstand im Süden Syriens. "Dort, wo man weit von Damaskus entfernt ist, wo die ökonomischen Bedingungen prekärer sind als im Rest des Landes wollen die von einer langen Dürreperiode gebeutelten Menschen endlich Unterstützung", meint Steinbach.
Die Machtbasis des Assad-Clans sind seine alawitischen Glaubensbrüder. Diese religiöse Minderheit hat alle wichtigen Posten in der Baath-Partei und dem Geheimdienstapparat inne. "Das kann für das Überleben des Regimes entscheidend sein", glaubt André Bank. "Denn anders als in Ägypten werden sich das syrische Militär und der Geheimdienst nicht gegen Baschar al-Assad stellen. Denn mit dem Ende Baschar al-Assads wäre auch ihr Ende gekommen." Die sozialistische Erbdiktatur baut aber nicht nur auf den Zusammenhalt der alawitischen Eliten, sondern auch auf die engen Verbindungen zum Iran.
Eine Allianz der Regime: Die Achse Damaskus - Teheran
"Die Allianz zwischen Damaskus und Teheran war ein Produkt der späten 70er und frühen 80er Jahre, um den Einfluss des damaligen irakischen Machthabers Saddam Hussein einzudämmen", erklärt der Nahost-Experte André Bank. Hussein hatte Iran ein Jahr nach der Islamischen Revolution 1979 angegriffen und damit einen Krieg zwischen beiden Staaten ausgelöst. Der syrische Präsident al-Assad hatte sich dabei auf die Seite Teherans gestellt, um seinen irakischen Erzrivalen von der panarabischen Baath-Partei zu schwächen.
Auf Unterstützung aus Iran könne der Machtapparat al-Assads derzeit aber nicht hoffen, meint Udo Steinbach: "Diese Allianz ist eine Allianz der Regime, nicht der Völker. Eine warme Freundschaft ist das nie geworden, zumal in Syrien 80 Prozent der Bevölkerung Sunniten sind." Mit Blick auf die aktuellen Ereignisse glauben beide Experten nicht an ein Eingreifen Irans in den innersyrischen Konflikt. Zwar sei Syrien "jahrzehntelang eine Brücke in die arabische Welt gewesen", sagt Steinbach. "Die Spielräume nun tatsächlich einzugreifen sind aber extrem begrenzt".
Fällt Assad, droht der Region eine Zeit der Instabilität
Es kommt nun also darauf an, wie Baschar al-Assad mit den Protesten umgeht. Ob er weiter mit harter Hand regiert, oder ob er die lange versprochenen Reformen umsetzen kann. Sollte Baschar al-Assad gestürzt werden, könnte das auch Folgen für den Nahost-Friedensprozess haben, meint Udo Steinbach. "Demokratisch legitimierte Regierungen in arabischen Hauptstädten - ob das nun Kairo ist oder Damaskus - würden einen viel stärkeren Anspruch haben, in den Friedensprozess einzutreten." Außerdem, so glaubt Steinbach, würden sie einen größeren Druck auf Israel ausüben, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Viele der arabischen Machthaber hätten in den letzten Jahren "ihr Fähnchen pragmatisch in den Wind gehängt und Israel nie wirklich herausgefordert", sagt Steinbach.
André Bank erklärt mit Blick auf Israel, dass die Regierung in Jerusalem die Ereignisse in Damaskus genau verfolge, zumal die Situation für den jüdischen Staat äußerst ambivalent sei. "Einerseits hätte man sicherlich gerne eine Regierung in Damaskus, die Israel freundlicher gegenüber stände, auf der anderen Seite bedeutet ein Regimesturz aber Instabilität, die bis zum Bürgerkrieg reichen könnte."
Autor: Dominik Peters
Redaktion: Daniel Scheschkewitz/Marco Müller