Letta verliert die Geduld
30. September 2013Regierungschef Enrico Letta teilte seine Entscheidung am Sonntagabend nach einem Treffen mit Staatspräsident Giorgio Napolitano mit. "Wir haben eine sehr komplizierte und komplexe Situation bewertet und beschlossen, möglichst bald ins Parlament zu gehen", sagte Letta nach dem Gespräch im Quirinalspalast. Er wolle Neuwahlen unter dem derzeitig gültigen Wahlrecht vermeiden, weil das wahrscheinlich nur zu einem neuerlichen Patt führen dürfte, sagte Letta.
Auch Staatspräsident Napolitano hatte angekündigt, das Parlament nur dann aufzulösen, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt. Zuvor hatte er Berlusconis Partei bereits scharf kritisiert. Sie sollte nicht die Funktionsfähigkeit des Parlaments mitten in der Wirtschaftskrise aufs Spiel setzen, warnte Napolitano.
Regierungschef Letta hofft bei der für Mittwoch angesetzten Vertrauensabstimmung offenbar auf Abweichler bei der Opposition und aus dem Berlusconi-Lager. Oder er könnte sich an einer Minderheitsregierung versuchen.
Verbissener Streit
Das seit fünf Monaten in Rom amtierende Regierungsbündnis aus der sozialdemokratischen PD Lettas und Silvio Berlusconis konservativer Partei Volk der Freiheit (PdL) ist tief zerstritten, unter anderem wegen des Umgangs mit Berlusconi. Offiziell nannte die PdL als Motiv für den Rückzug der fünf Minister die von ihr abgelehnte Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 22 Prozent. Über den Zank um den verurteilten Berlusconi scheint der Blick auf die eigentlichen Probleme der rezessionsgeplagten und hochverschuldeten drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone oftmals fast in Vergessenheit zu geraten.
Berlusconi forderte - anders als Letta und Napolitono - möglichst baldige Neuwahlen. "Ich bin nicht kampfesmüde, ich bin in Höchstform", so Berlusconi, der am Sonntag 77 Jahre alt wurde. Die jüngsten Umfragen in Italien sprechen wieder für ihn.
Dem "Cavaliere" droht nach seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung der Ausschluss im Senat, der zweiten Kammer des italienischen Parlaments. Voraussichtlich Mitte Oktober wird der Senat entscheiden müssen, ob Berlusconi sein auf Lebenszeit verliehenes Mandat als Senator verliert, wie es gesetzlich vorgesehen ist.
qu/se (dpa, rtr, afp)