Regierungsbildung in Belgien nach 535 Tagen
1. Dezember 2011Noch ist zwar nicht alles in trockenen Tüchern, doch im Prinzip herrscht Einigkeit unter den belgischen Sozialisten, Christdemokraten und Liberalen, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Das berichtete am späten Mittwochabend (30.11.2011) die belgische Nachrichtenagentur Belga. Am Donnerstag soll der Vertrag noch einmal geprüft werden und am Samstag die Entscheidung von Parteitagen abgesegnet werden.
Neuer Premierminister soll der Sozialdemokrat Elio di Rupo werden. Er ist seit 1974 der erste Politiker aus dem französisch-sprachigen Teil Belgiens.
Sollbruchstelle Sprachenstreit
Die letzte Regierung Belgiens war im April 2010 zerbrochen – Grund war ein Streit zwischen Flamen und Wallonen. Nach den Neuwahlen im darauffolgenden Juli blieben alle Anläufe für eine neue Regierungsbildung erfolglos. Seither wurde das Land von einer geschäftsführenden Regierung unter dem christdemokratischen Premier Ives Leterme verwaltet.
Ratingagentur als Katalysator
Den nötigen Druck, nach eineinhalb Jahren zu einer Einigung zu kommen, schafften die Finanzmärkte. Nachdem sich eine Verhandlungsrunde aus Vertretern von sechs Parteien in den Haushaltsverhandlungen nicht einigen konnte, stufte die Ratingagentur Standard and Poor's die Kreditwürdigkeit Belgiens am Freitag um eine Note von "AA+" auf "AA" herab. Am Samstag gelang dann die Verabschiedung eines Sparetats für die Jahre 2012 bis 2014.
Die niederländische Zeitung "de Volkskrant" schreibt dazu: "Die Regierungskoalition sieht ganz nach einer Vernunftsehe aus, wobei dem Verstand kräftig durch die finanziellen Märkte nachgeholfen wurde…Hoffentlich triumphiert die Vernunft auch künftig, denn die neue Regierung wird es nicht einfach haben.
Schwere Aufgabe des neuen Premiers
Unter besonderer Beobachtung steht dabei auch der neue Premierminister di Rupo. Viele niederländisch-sprechende Flamen, die 60 Prozent der Bevölkerung stellen, misstrauen dem 60-jährigen Politiker. Das liegt nicht zuletzt auch an seinen Sprachkenntnissen – di Rupo spricht nur gebrochen Niederländisch. In Belgien ist es zwar üblich, dass das Kabinett sorgsam zwischen Flamen und französisch-sprachigen Wallonen austariert wird, doch schon jetzt fordern Politiker aus dem flämischen Norden einen Ministerposten mehr. Der Sprachenstreit könnte also schnell wieder aufflammen.
Autorin: Sabine Faber (dpa,afp)
Redaktion: Walter Lausch