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Regierung beschleunigt Ausbau

Bernd Gräßler2. Juni 2012

Mit einem Kraftakt will die Familienministerin den Ausbau der Kindertagesstätten vorantreiben. Andernfalls droht eine Prozesslawine, denn die Regierung hat Eltern einen Betreuungsplatz zugesichert.

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Drei junge Mütter schieben ihre Babys im Kinderwagen (foto:dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sitzt die Zeit im Nacken. Das ehrgeizige Vorhaben, ab August 2013 für alle Ein- bis Dreijährigen, deren Eltern das wünschen, einen staatlich subventionierten Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, droht zu scheitern. Nach Berechnungen des Familienministeriums fehlen noch 160.000, nach Schätzungen der Städte und Gemeinden sogar rund 200.000 Plätze in Kindertagesstätten oder bei sogenannten Tagesmüttern. Grund für den Zeitverzug ist vor allem die schlechte Finanzlage der Kommunen, aber auch der Mangel an geeignetem Fachpersonal.

Um das wichtige sozialpolitische Projekt der Regierung zu retten, legte die junge Ministerin einen Zehn-Punkte-Plan vor, den zuvor das Kabinett absegnete. Er sieht unter anderem zinsgünstige Kredite für die finanzschwachen Kommunen zum Krippenbau, staatliche Zuschüsse für die Entlohnung von Tagesmüttern und für die Einrichtung von Betriebskindergärten vor. Besonders für kleinere und mittlere Unternehmen sei dies ein wichtiger Standortfaktor, sagte die Ministerin.

Schröder bekräftigt Rechtsanspruch

Sie dementierte Gerüchte, man wolle auch unqualifiziertes Personal aus dem Bundesfreiwilligendienst für die Kleinkind-Betreuung einsetzen. " Es ist in keiner Weise geplant, ungelernte Erzieherinnen einzusetzen. Das wäre auch der ganz falsche Weg. Denn gerade der Erzieherberuf ist ein sehr anspruchsvoller, fordernder Beruf, für den man eine gute Qualifikation braucht."

Allerdings empfiehlt die Ministerin die vorübergehende Lockerung der strengen deutschen Baunormen für Kindertagesstätten. So muss bisher laut Vorschrift jede Kita einen eigenen Spielplatz haben, auch wenn sie direkt neben einem öffentlichen Spielplatz liegt. Trotz der zunehmenden Zweifel in der Öffentlichkeit versprach die Ministerin, der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz werde zum 1. August 2013 garantiert: "Das haben wir mit den Ländern und den Kommunen beim Krippengipfel 2007 vereinbart und am Rechtsanspruch werden wir nicht rütteln."

Kommunen befürchten Klagewelle

Vor fünf Jahren versprach der Staat, den Eltern zu helfen, Beruf und Familie besser in Einklang zu bringen. Bundesregierung, Länder und Kommunen vereinbarten auf einem sogenannten "Krippengipfel", für jedes dritte Kind zwischen einem und drei Jahren einen Betreuungsplatz zu schaffen. Damit wäre die Nachfrage gedeckt. Das ganze Programm soll 12 Milliarden Euro kosten. Neuere Umfragen haben allerdings ergeben, dass fast 40 Prozent aller in Frage kommenden Eltern die Möglichkeit der staatlich geförderten Betreuung vom 1. Geburtstag bis zum 3. Geburtstag ihres Kindes in Anspruch nehmen möchten. Vor dem ersten Lebensjahr gebe es so gut wie keinen Bedarf, sagte Ministerin Schröder, die selbst eine elf Monate alte Tochter hat.

Vertreter der Kommunen bezweifeln, dass insbesondere in den westdeutschen Großstädten der Rechtsanspruch zu verwirklichen sei, weil hier der Bedarf wesentlich höher liege. Sie sagen eine Klagewelle unzufriedener Eltern voraus.

Die Opposition wirft der Regierung vor, sie behindere selbst den Ausbau von Kindertagesstätten, weil sie Milliarden Euro für die Einführung eines sogenanntes Betreuungsgeldes aufwende, das ab 2013 an alle Eltern gezahlt werden soll, die ihre Kinder bis zum Alter von drei Jahren zu Hause selbst betreuen. Die zunächst 100, später 150 Euro pro Monat und Kind sind seit Jahren als "Herdprämie" heftig umstritten.

Opposition fordert Krippenbau statt Betreuungsgeld

Sozialdemokraten, Grüne und Linke, aber auch Kinderschutzbund und UNICEF Deutschland fürchten beispielsweise, dass gerade ärmere Familien und Migranten lieber auf das Angebot von Bargeld eingehen würden und ihre Kinder von den Gemeinschaftseinrichtungen fernhielten.

Die SPD führt eine Studie der norwegischen Soziologin Anne Lise Ellingsaeter an, wonach die Einführung von Betreuungsgeld in den skandinavischen Ländern die Nachfrage nach staatlicher Kinderbetreuung bei Familien mit Migrationshintergrund verminderte.

SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte in der "Süddeutschen Zeitung", für das Betreuungsgeld würden "zwei Milliarden Euro verpulvert, mit denen man 200.000 zusätzliche Plätze schaffen könnte".

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hält jedoch vor allem auf Druck der bayrischen CSU an ihrer internen Vereinbarung fest, parallel zum Ausbau der staatlichen Kinderbetreuung auch eine Prämie für die Betreuung zu Hause einzuführen. Ministerin Schröder wird dazu nächste Woche im Kabinett einen Gesetzentwurf vorlegen.