Referendum Papandreou
2. November 2011Griechenland hält den Rest Europas weiter in Atem. Premier Giorgos Papandreou kündigte am Montag (31.10.) völlig unerwartet ein Referendum an, bei dem das griechische Volk selbst sich für oder gegen das neue internationale Hilfspaket inklusive des Schuldenschnitts um 50 Prozent entscheiden soll. Schon in dieser Woche wird Papandreou im Parlament die Vertrauensfrage stellen und im Januar die Griechen abstimmen lassen. Nach dem Vorstoß des sozialistischen Regierungschefs, der sein politisches Schicksal mit der Befreiung Griechenlands aus der Schuldenfalle verbunden hat, überfiel ein Schaudern sowohl die so sensiblen Finanzmärkte, als auch die europäischen Hauptstädte: Über das mühevoll zusammengeschnürte Hilfspaket soll nun ein sowieso gegen die notwendigen Sparmaßnahmen rebellierendes Volk entscheiden? Ein griechisches „Nein“ würde das Land zur endgültigen Pleite führen, es aus der Eurozone katapultieren und Europa in neue Finanzturbulenzen stürzen.
Sicher treibt Papandreou mit dem Plan eines Referendums ein riskantes Spiel. Viele Alternativen zu diesem Befreiungsschlag hat er aber nicht. Ein nationaler Konsens mit der Opposition, die beste Voraussetzung für die Realisierung der rigiden Sparmaßnahmen, scheint eher unwahrscheinlich, da sich die gesamte Opposition auf erbittertem Gegenkurs befindet. Die Einschnitte bei Gehältern und Renten - einmalig in der Geschichte der Europäischen Union - bringen weite Teile der Gesellschaft auf Konfrontationskurs mit den Regierenden. Sogar die Mehrheit der Regierungspartei PASOK im Parlament schwindet und beträgt seit Dienstag (1.11.) nur noch zwei Stimmen. Neuwahlen, dies belegen die letzten Umfragen, würden Griechenland eher zur Regierungslosigkeit führen, da weder die regierende PASOK noch die konservative Oppositionspartei Neue Demokratie eine deutliche Mehrheit der Stimmen bekommen würden.
Erzwungener Schritt
Und nun das Referendum. Papandreou braucht eine frische Legitimation und er will sie direkt beim Volk einholen. Die genaue Frage des Referendums ist noch nicht geklärt, aber das Dilemma wird wohl ungefähr heißen: Wollen Sie ein Griechenland, das mit der Annahme des internationalen Hilfspakets als Mitglied der Eurozone überlebt, oder eins, das den Euroclub verlässt, in Pleite geht und zur alten Drachme zurückkehrt? Und da hat Papandreou und mit ihm das ganze Land eine Chance. Die letzten Erhebungen zeigen, dass die Mehrheit der Griechen die radikalen Sparmaßnahmen ablehnen, nicht aber ohne Weiteres eine Zukunft innerhalb der Eurozone. Wenn den Griechen die Schicksalsfrage so gestellt wird, dann ist ein „Ja“ zum Verbleib in der Eurofamilie wahrscheinlicher als ein „Nein“. Die Regierung Papandreou hätte dann eine frische Legitimation zur ehrgeizigsten Rettungsaktion eines Landes in der neueren Geschichte. Die Proteste, die in der letzten Zeit immer mehr zur Anarchie ausarten, würden früher oder später abflauen oder zumindest eine geordnete Form annehmen. Und die Opposition könnte sich nicht mehr aus der Verantwortung ziehen und so tun als ob die Sparmaßnahmen das unnötige Diktat fremder böser Mächte seien. Das ist das Kalkül Papandreou.
Das Referendum wäre natürlich überflüssig, wenn die griechische Opposition eine konstruktive und verantwortungsvolle Rolle übernehmen würde. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Von der vorsintflutlichen Linken mal abgesehen, ist das eigentliche Skandalon die konservative Neue Demokratie. Nach der niederschmetternden Abwahl des Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis vor zwei Jahren hat sie Antonis Samaras zum neuen Vorsitzenden gewählt, einen Politiker der zweiten Garnitur, der schon Anfang der 1990er Jahre als Außenminister eine Lösung des unsäglichen Namenstreits mit Mazedonien torpediert hatte und die damalige Regierung stürzte. Heute führt Samaras als Oppositionsführer einen erbitterten Kampf gegen die Konsolidierungsmaßnahmen und verspricht eine Neuverhandlung der unpopulären Rettungspakete, falls er an die Macht kommt. Trotzdem wird die Neue Demokratie immer noch von der Europäischen Volkspartei hofiert. Auch haben bis jetzt EU, EZB und IWF nicht öffentlich klargestellt, dass unter den heutigen Umständen keine Neuverhandlung mit Griechenland möglich sein wird. Und das Land taumelt jetzt zu einem Referendum, statt zu einem gesunden politischen Konsens geführt zu werden.
Autor: Spiros Moskovou
Redaktion: Blagorodna Grigorova