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PolitikGabun

Referendum in Gabun: Chance auf Rückkehr zur Demokratie

Martina Schwikowski
15. November 2024

Gut ein Jahr nach dem Militärputsch können die Bürger des zentralafrikanischen Landes über eine neue Verfassung abstimmen. Es gibt bereits einen aussichtsreichen Anwärter auf das zivile Präsidentenamt.

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Menschen warten in einer Schlange auf ihre Stimmabgabe, ein Mann trägt eine Wahlurne auf der Schulter
Diese Wahl war keine Sternstunde der Demokratie: Archivfoto vom 24. August 2023, wenige Tage vor dem Putsch. Nun soll in einem Verfassungsreferendum die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung eingeleitet werden.Bild: Gerauds Wilfried Obangome/REUTERS

Gabun steht vor einer entscheidenden Abstimmung: Am Samstag (16. November) sind die Bürger aufgerufen, ihr Votum für eine neue Verfassung abzugeben - ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Rückkehr zu einer zivilen Regierung.

In einemStaatsstreich im August 2023 hatten Soldaten die Kontrolle über Gabun an sich gezogen. Nur eine Stunde zuvor hatte Präsident Ali Bongo sich zum Sieger einer von Unregelmäßigkeiten geprägten Wahl erklärt. Mit dem Putsch endete die 56-jährige Herrschaft der Bongo-Dynastie - Ali hatte nach dem Tod seines Vaters Omar Bongo 2009 das kleine zentralafrikanische Land übernommen. Gabun ist gemessen am Pro-Kopf-BIP das drittreichste Land Afrikas, laut Weltbank lebt dennoch mehr als jeder dritte Einwohner unterhalb der Armutsgrenze.

"Ein historischer Moment in Gabun"

Gabun erlebe mit Blick auf die Vergangenheit einen historischen Moment, sagt Apoli Bertrand Kameni, Politikwissenschaftler an der Universität Straßburg, der derzeit als Gastwissenschaftler an der Universität Freiburg forscht. "Die Dinge werden dem Kurs der neuen Behörden folgen, denn für viele Gabuner hat das Militär in einem Jahr mehr erreicht als das alte Regime in zwei Amtszeiten", fügt der Gabuner in einem DW-Interview hinzu.

Gabun | Präsident Ali Bongo unter Hausarrest
Im Zuge des Putschs am 30. August 2023 wurde Ali Bongo unter Hausarrest gestelltBild: TP advisers on behalf of the President's Office/AP Photo/picture alliance

Der von der regierenden Junta vorgeschlagene Verfassungsentwurf sieht eine starke Präsidentschaft mit einer siebenjährigen Amtszeit vor, die einmal verlängert werden kann, ohne Premierminister und ohne dynastische Machtübergabe, wie es unter der Familie Bongo der Fall war. Gabun würde von einem parlamentarischen zu einem präsidialen System übergehen, wobei der Präsident die Möglichkeit hätte, Mitglieder der Justiz zu ernennen und das Parlament aufzulösen.

Kandidaten für das Amt des Staatsoberhauptes müssen mindestens einen in Gabun geborenen Elternteil haben, dürfen keine andere Staatsangehörigkeit besitzen und müssen mit einem gabunischen Staatsbürger verheiratet sein. Für junge Gabuner würde die neue Verfassung bedeuten, dass sie im Rahmen einer allgemeinen Wehrpflicht Dienst leisten müssen. Die Ehe wird als Vereinigung zwischen Mann und Frau definiert - das hat jedoch offenbar keine Auswirkungen auf die 2020 durchgesetzte Entkriminalisierung von Homosexualität als solcher. Den Putschisten vom August 2023 sichert die Verfassung Straffreiheit zu.

Verfassung schiebt Dynastien den Riegel vor

Douglas Yates, Politikwissenschaftler an der American Graduate School in Paris, sieht im Verfassungsentwurf einige positive Ergebnisse des nationalen Dialogs, den der vom Militär eingesetzte Übergangs-Staatschef General Brice Clotaire Oligui Nguema im Frühjahr angestoßen hatte. Eines davon, so Yates zur DW: "Familienmitglieder des neuen Präsidenten, wer auch immer das sein wird, dürfen weder das Präsidentenamt erben noch andere wichtige Ämter in der Regierung bekleiden." Viele Gabuner hätten genug von dynastischer Herrschaft.

Yates betonte, die vorgeschlagene Anforderung, dass der Präsident in Gabun geborene Eltern haben muss, soll die Rückkehr der Bongo-Dynastie an die Macht verhindern. So haben Ali Bongos Söhne verschiedene Nationalitäten als Teil ihrer Herkunft: Die Mutter von Noureddin Bongo Valentin wurde in Frankreich geboren und ist französisch-britischer Abstammung. Dessen Halbbruder Omar Denis Junior Bongo Ondimba wiederum ist Sohn der Tochter des Präsidenten der Republik Kongo, Denis Sassou Nguesso.

Der Weg zur Wende

Übergangs-Staatschef Nguema macht keinen Hehl daraus, dass er die für August 2025 angesetzten Präsidentschaftswahlen gewinnen möchte - und wirbt für ein Ja beim Verfassungsreferendum.

Es wird erwartet, dass rund 860.000 Wähler in den 2800 Wahllokalen Gabuns ihre Stimme abgeben werden. Die Behörden versichern, dass sie alle Maßnahmen ergriffen haben, um "größtmögliche Transparenz" während der Abstimmung zu gewährleisten, unter anderem durch die Einladung internationaler Wahlbeobachter. 

Ein Porträt des Juntaführers Brice Oligui Nguema in Militäruniform
Militärführer Brice Oligui Nguema will 2025 als Präsidentschaftskandidat antretenBild: AFP/Getty Images

Der politische Analyst Alex Vines, Leiter des Afrika-Programms der Londoner Denkfabrik Chatham House, sieht Gabun ein gutes Jahr nach dem Putsch auf der Überholspur bei der Rückkehr zu einer verfassungsmäßigen Regierung - anders als die Allianz der Sahel-Staaten Mali, Niger und Burkina Faso, in denen die Putschisten die Wahlen regelmäßig verschoben haben. "Dies ist ein Schritt in Richtung eines Übergangs zu einer vollständigen Zivilregierung, auch wenn der Spitzenkandidat, der sich zur Wahl stellen wird, der Militärführer Nguema sein wird", sagt Vines zur DW. "Das ist die Realität, aber meiner Analyse nach genießt Nguema in Gabun große Popularität, das müssen wir auch anerkennen."

Ein neues politisches Kapitel?

Doch vor der Wahl steht erst einmal das Verfassungsreferendum an. Glaubwürdige Ergebnisse mit einer hohen Wahlbeteiligung könnten aus Sicht des Pariser Politikwissenschaftlers Yates ein Zeichen setzen - auch mit Blick auf die Wahl im August, bei der Nguema gute Chancen eingeräumt werden. "Wenn er mit einer fairen und freien Wahl gewinnt, dann hat Gabun den Übergang zu einer zivilen, demokratischen Regierung eingeleitet", sagt Yates.

Ein Gabuner umarmt einen Soldaten auf der Straße
Gabuner jubeln nach der Machtübernahme der Militärjunta 2023; sie hat die Langzeitherrschaft der Bongo-Familie beendetBild: Desirey Minkoh/Afrikimages/IMAGO

Der gabunische Analyst Kameni erwartet keine besonderen Probleme während dieses Referendums. Aber dann müsse die eigentliche Arbeit weitergehen: "Natürlich ist die Verfassung wichtig, aber sie allein reicht nicht aus, um eine demokratische Gesellschaft aufzubauen." Gabun stehe, wie die meisten afrikanischen Staaten, vor zahlreichen Herausforderungen, sagt Kameni.

Die nächsten Jahre werden für die Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeitund den Aufbau einer echten demokratischen Gesellschaft wichtig sein. Dabei für Kameni entscheidend: Mehr Bildungschancen für die Jugend - und weniger soziale Ungleichheit in der gabunischen Gesellschaft.