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Reems Vater: "Merkels Reaktion hat mich gefreut"

Ouifaq Benkiran, Najima El Moussaoui, Peter Hille17. Juli 2015

Sie schilderte ihre Angst vor der Abschiebung, weinte, da wurde sie von Angela Merkel gestreichelt. Seitdem ist Reem bekannt. Ihr Vater Atif Sahwil sprach mit der DW über seine 14-jährige Tochter.

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Atef und Reem Sahouil
Bild: privat

Das Haus der Familie Sahwil - umringt von Reportern. Die Journalisten waren seit gestern auf der Suche nach Reem, dem Mädchen, das durch eine Streicheleinheit der Bundeskanzlerin bekannt geworden ist. "Dieser Medienrummel hat uns genervt", sagt Reems Vater Atif Sahwil der DW. "Alle wollten ein Interview mit ihr. Ich musste sie heimlich aus dem Haus herausschmuggeln." Sahwil brachte Reem in ihre Schule, wo sie heute ihr Zeugnis bekam. Die Noten? "Waren alle sehr gut."

Reem war nur eine von 30 Schülerinnen und Schülern, die beim Bürgerdialog am Mittwoch in Rostock mit Angela Merkel über ihre Lebensvorstellungen sprachen. Doch Reem unterscheidet sich von ihren Mitschülern: Sie ist ein Flüchtlingskind. 2011 hat sie zusammen mit ihrer Familie den Libanon verlassen und ist nach Deutschland geflohen. Schon der Libanon war nicht Heimat, sondern Fluchtort für die Familie. Die stammt aus Palästina, wo Krieg und Armut Alltag sind.

"Und jetzt?"

Für Reem kommt hinzu: sie kann seit ihrer Geburt nicht laufen. "Im Libanon konnte ich ungefähr 38.000 Euro durch Spenden sammeln", so Reems Vater zur DW. "Und dann kam ich mit meiner Familie nach Deutschland, um Reem behandeln zu lassen." In Deutschland dann: Behördengänge und ein Asylantrag, jahrelanges Warten auf eine Entscheidung der Ämter. Immer begleitet von der Angst, abgeschoben zu werden.

Deutschland Kanzlerin Merkel Bürgerdialog mit Jugendlichen (Photo: bundesregierung.de)
Merkel versucht zu tröstenBild: bundesregierung.de

Eine Sorge, die die Schülerin auch mit in die Schule nimmt: "Wir hatten in der letzen Zeit eine richtig schwere Zeit, weil wir kurz davor standen, abgeschoben zu werden. Mir ging es hier in der Schule richtig schlecht, das haben die Lehrer und Schüler mitgekriegt", erzählte Reem der Kanzlerin am Mittwoch. "Und jetzt?", so die Reaktion Merkels. Jetzt sei eine Genehmigung da, mit der die Familie vorerst bleiben dürfe. "Wir warten auf eine Entscheidung der Ausländerbehörde."

Offen oder kaltherzig?

Am Mittwoch war dann das passiert, wofür im Alltag einer Realpolitikerin normalerweise kein Raum ist: Gefühle brachen durch. Reem weinte. Die Kanzlerin brauchte ein paar ungelenke Sekunden, dann sagte sie "Ach, komm", verließ das Podium, ging zu Reem und streichelte ihr die Schulter. Eine angemessene Reaktion? Darüber wurde in den vergangenen Tagen viel diskutiert. Merkels Streicheleinheit löste unter dem Hashtag #Merkelstreichelt eine Welle in den sozialen Medien aus, "kaltherzig" war ein viel genutztes Attribut.

Reems Vater Atif Sahwil sieht das anders: "Die Reaktion Angela Merkel auf Reems Frage hat mich gefreut", sagt er der DW. "Frau Merkel hat damit etwas getan, was kein arabisches Staatsoberhaupt je tun würde. Hier in Deutschland ist es normal, dass Frau Merkel als Kanzlerin der Bevölkerung gegenüber offen ist." Zudem sei er glücklich, dass seine Tochter über die Lebensumstände von Flüchtlingen habe sprechen können.

Hoffnung für Familie Sahwil

Inzwischen darf Reem hoffen, dass zumindest sie und ihre Familie dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Der Rostocker Oberbürgermeister Roland Methling will sich nach Berichten des Berliner "Tagesspiegel" dafür einsetzen, dass Reems Familie und andere Asylbewerber, die viele Jahre auf eine Entscheidung gewartet haben, nach Möglichkeit zunächst nicht abgeschoben werden. Und Reems Behinderung? "Sie wurde zweimal in Düsseldorf operiert, aber leider ohne Erfolg", erzählt ihr Vater. "Nach einer weiteren Behandlung kann sie nun aber zumindest ihre Beine ein wenig bewegen."