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Untersuchungsausschuss nimmt Rechtsterrorismus unter die Lupe

9. Februar 2012

Die Parteien im Bundestag demonstrieren seltene Einigkeit. Ohne den üblichen parteipolitischen Zwist wurden im U-Ausschuß zur Aufklärung der Neonazi-Mordserie die Aufgaben der ersten Wochen abgesteckt.

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Berlin/ Der Leiter des Rechtsterror-Untersuchungsausschusses zum Rechtsterrorismus der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), der niedersaechsische SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy (M.), der stellvertretende Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke (CSU, 2.v.l.), Ausschusssekretaer Harald Georgii (SPD, 2.v.r.), der Obmann der CDU/CSU-Fraktion, Clemens Binninger (CDU), und die Sekretaerin des Ausschusses, Barbara Blum, sitzen am Donnerstag (09.02.12) in Berlin vor Beginn der Sitzung nebeneinander. Der NSU-Untersuchungsausschuss will die Bund-Laender-Expertenkommission zu einem gemeinsamen Treffen einladen. Fuer das Vorhaben gebe es fraktionsuebergreifendes Einvernehmen, sagte der Ausschussvorsitzende Edathy vor der ersten Arbeitssitzung am Donnerstag in Berlin der Nachrichtenagentur dapd. Auch ein Treffen mit den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses des Thueringer Landtags werde angestrebt. (zu dapd-Text) Foto: Steffi Loos/dapd
Deutschland Berlin Sitzung Untersuchungsausschuss Terrorgruppe NSUBild: dapd

Über Jahre hinweg konnten Neonazis in Deutschland unentdeckt morden: Mindestens neun Migranten und eine Polizistin fielen dem sogenannten "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) zum Opfer. Um die Pannenserie der Behörden bei der Aufdeckung und Verfolgung der Verbrechen schonungslos aufzuklären und Defizite in der "Sicherheitsarchitektur" zu beseitigen, wolle man allen parteipolitischen Zwist beiseite lassen, versichern Politiker der Bundestagsparteien immer wieder.

In der ersten Arbeitssitzung des parlamentarischen Untersuchungsauschusses hielt man sich an diese Absicht. Innerhalb einer knappen Stunde beschlossen die elf Ausschussmitglieder von CDU/CSU, SPD, FDP, Linken und Grünen einmütig 38 Beweisanträge, mit denen man vor allem klären will, warum die Sicherheitsbehörden die bekannten Rechtsextremisten nicht mit den Morden an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern in Verbindung brachten, obwohl es Hinweise auf ihre Gefährlichkeit gab.

Fragen zu den V-Leuten und Kontakten zur NPD

Nach den Worten des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) geht es darum, "was welche staatliche Einrichtung zu welchem Zeitpunkt wusste, wie der Informationsfluss lief und welche möglichen Fehlentscheidungen getroffen wurden". Aus den Antworten werde der Ausschuss ableiten, "an welchen Stellschrauben man drehen muss, um die Sicherheitsarchitektur zu optimieren". Untersuchungszeitraum sind die Jahre 1992 bis 2011.

Leiter des Rechtsterror-Untersuchungsausschusses, der niedersaechsische SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy, aeussert in Berlin vor dem Beginn der Sitzung vor Medienvertretern. Foto: Clemens Bilan/dapd
Sebastian Edathy (SPD) leitet den UntersuchungsausschussBild: dapd

Dabei soll auch geklärt werden, welche Rolle der Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Leuten) des Verfassungsschutzes im rechtsextremen Milieu spielte und ob die Verbrechen des NSU womöglich durch solche V-Leute begünstigt wurden. Der Ausschuss will auch untersuchen, welche Kontakte die Terroristen zu rechtsextremen Organisationen hatten. Dies könnte für einen neuen Anlauf zum Verbot der NPD bedeutsam sein. Sollte sich nämlich herausstellen, dass der Nationalsozialistische Untergrund "eine Art militärischer Arm der NPD war, dann könnte es mit dem Verbot sehr schnell gehen", erklärte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Donnerstag in der "Leipziger Volkszeitung".

Zeugenvernehmungen nach Ostern

Der Untersuchungsausschuss zum Rechtsterrorismus wurde gemeinsam von allen fünf Parteien eingesetzt, die im Bundestag vertreten sind. Er hat weitgehende Befugnisse. So darf er Einsicht in Akten verlangen, Zeugen vorladen und ihr Erscheinen notfalls erzwingen. Falschaussagen oder Zeugnisverweigerung können ähnlich wie in Strafprozessen geahndet werden. Bevor nach Ostern, im April, Zeugen vorgeladen werden, will man Sachverständige zur Entwicklung des Rechtsextremismus und zur gegenwärtigen Struktur der Sicherheitsbehörden in Deutschland anhören.

Die bisher demonstrierte Einigkeit im Ausschuss ist auch deshalb ungewöhnlich, weil derartige Gremien normalerweise als Kampfinstrumente der Opposition gelten, um die Regierung zu kontrollieren. Den Verzicht auf parteipolitisches Taktieren in diesem Fall erklären Abgeordnete mit dem Schock, den der Skandal auch in ihren Reihen ausgelöst hat.

Neben dem Untersuchungsausschuss des Bundestages gibt es eine Reihe weiterer Gremien zur Aufklärung der beispielslosen Pannenserie der deutschen Sicherheitsorgane. So arbeiten in Thüringen, aus dessen rechtsextremer Szene sich die Täter rekrutierten, ein Sonderermittler und ein Untersuchungsausschuss des Landesparlaments.

Autor: Bernd Gräßler
Redaktion: Marcel Fürstenau