Rechtsextremisten wollen Özdemir ermorden
2. November 2019Der Grünen-Politiker Cem Özdemir hat von einem in den USA als gefährlich eingestuften Rechtsextremisten-Netzwerk Todesdrohungen erhalten. Die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten, im Büro des türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten sei Ende Oktober eine E-Mail eingegangen, in der dem Politiker mitgeteilt wird, sein Name stehe ganz oben auf einer Todesliste. Absender ist eine Gruppe mit dem Namen Atomwaffen Division (AWD) Deutschland.
An das BKA weitergegeben
"Zurzeit sind wir am Planen wie und wann wir Sie hinrichten werden, bei der nächsten öffentlichen Kundgebung? Oder werden sie von uns vor ihrem Wohnort abfangen?" So zitieren die Funke-Medien aus der E-Mail. Özdemir gab sie nach eigenen Angaben unmittelbar an das Bundeskriminalamt (BKA) und die Polizei im Bundestag weiter. Anders als andere Drohungen nehme der frühere Grünen-Chef diese Drohung wegen der Wortwahl sehr ernst, heißt es in dem Bericht. In der Vergangenheit war Özdemir wegen seiner scharfen Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von Nationalisten aus dem Land massiv bedroht worden. Er erhält seit längerem Personenschutz durch das BKA.
Auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, ebenfalls Grünen-Politikerin, hat nach einem Medienbericht mutmaßlich von Rechtsextremisten Mails mit einer konkreten Todesdrohung erhalten.
Ein abstrakt hohes Niveau
In den USA werden Mitglieder der AWD dem Funke-Bericht zufolge mit mehreren Tötungsdelikten und geplanten Anschlägen in Verbindung gebracht. Sie organisierten sich in Zellen, kommunizierten verdeckt im Internet und riefen zum Rassenhass auf. Das BKA verwies dem Bericht zufolge auf die Anfrage, welche Gefahren von der Gruppe ausgehen, allgemein auf eine Stellungnahme der Sicherheitsbehörden vom Juli 2018: "Die Gefährdung durch extrem rechte und rechtsterroristische Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland bleibt, auch nach der Ankündigung der Existenz eines deutschen Ablegers der AWD, unverändert auf einem abstrakt hohen Niveau."
Özdemir selbst sagte den Funke-Zeitungen, er könne sich "auf den Begleitschutz durch das BKA verlassen". Zugleich gab er zu bedenken: "Was ist mit all den Kommunalpolitikerinnen und den ehrenamtlich Engagierten, die angefeindet werden und keinen Personenschutz haben?" Es müsse möglich sein, am Spielfeldrand, im Bus und auf der Betriebsfeier für eine offene Gesellschaft einzutreten, ohne danach Hasskommentare in Online-Netzwerken zu ernten. Es müsse aber auch dafür gesorgt werden, "dass Hasskriminalität konsequenter ermittelt und zur Anklage gebracht wird". Özdemir spielte damit auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walther Lübcke im Juni diesen Jahres an.
Erst vor wenigen Tagen hatte die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus beschlossen. Außer Özdemir, der gerade ohne Erfolg für den Fraktionsvorsitz der Grünen im Bundestag kandidiert hatte und damit in die erste politische Reihe zurück wollte, bekamen zuletzt einige Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker Morddrohungen aus der rechtsextremen Szene. Darunter war auch der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring.
ml/as (dpa, AFP)