Rechte Europa
28. Juli 2011Nach Angaben des vernehmenden Richters Kim Heger hat Breivik von zwei weiteren Terrorzellen gesprochen, die in Norwegen aktiv sein sollen. Der Beschuldigte habe außerdem angedeutet, dass er Komplizen habe, die noch auf freiem Fuß seien. Sind das die Fantasien eines gestörten Einzeltäters oder verfügte Breivik tatsächlich über Verbindungen ins rechtsextreme Milieu in Norwegen und Nordeuropa? In seinem Manifest, das im Internet kursiert, schreibt Breivik von 80 "einzelnen Märtyrern", die im Ausland aktiv werden könnten.
Der Verteidiger Breiviks bestätigte diese Angaben am Dienstag (26.07.2011). In seinem im Internet veröffentlichten "Manifest" hatte Breivik von "Kämpfern des Widerstands" geschrieben und auch Atomkraftwerke in der Schweiz als mögliche Anschlagsziele genannt. Wie konkret die Verbindungen des Attentäters von Oslo in rechtsextreme oder rechtsnationale Kreise in Nord- und Westeuropa sind, ist unklar. Ermittlungsbehörden in Großbritannien und Deutschland prüfen entsprechende Hinweise.
Mitglied in der "Fortschrittspartei"
Sicher ist, dass Breivik bis 2006 Mitglied der rechtspopulistischen Fortschrittspartei in Norwegen war. In deren Jugendorganisation bekleidete er Führungsämter. Die Vorsitzende der Fortschrittspartei, Siv Jensen, distanzierte sich nach dem Doppelattentat von Breivik. Die fremdenfeindliche und nationalistische Fortschrittspartei stellt seit 2005 die zweitgrößte Fraktion im norwegischen Parlament, ist aber nicht an der Regierung beteiligt. Die Fortschrittspartei lehnt Einwanderung ab, ist aber keine Neonazi-Partei. Dem harten Kern der antisemitischen Neonazis werden in Norwegen nur rund 150 Personen zugeordnet. Der Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke von der Freien Universität Berlin zeigte sich deshalb auch überrascht, dass ausgerechnet in Norwegen ein rechtsextremistischer Anschlag verübt wurde. Im Nachbarland Schweden sei die Szene wesentlich größer und gewaltbereiter. Der Erfolg rechtspopulistischer Parteien sei nicht unmittelbar verantwortlich für die Taten Einzelner, heize aber das Klima auf. Die Hemmschwelle sinke, so Hajo Funke in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Die Verhältnisse seien in Europa von Land zu Land sehr verschieden.
Rechte Populisten in Europa
In Schweden ist die rechtspopulistische "Schwedenpartei" mit 20 Sitzen im Parlament in Stockholm vertreten. Sie erreichte im vergangenen Jahr 5,7 Prozent der Wählerstimmen. Die Schwedenpartei fordert eine drastische Beschränkung der Einwanderung und eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Der Vorsitzende der Schwedenpartei Jimmie Akesson verurteilte die Anschläge von Oslo scharf.
In Finnland erreichte die Partei "Wahre Finnen" bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 19 Prozent der Wählerstimmen und konnte die Zahl ihrer Sitze vervierfachen. Die drittstärkste Kraft in der finnischen Politik ist dennoch nicht in der Regierung vertreten, weil die euroskeptischen und fremdenfeindlichen "Wahren Finnen" sich weigern, die Rettungsschirme der Euro-Zone zu unterstützen. Die "Wahren Finnen" haben auch zwei Abgeordnete in das Europäische Parlament nach Straßburg schicken können.
In Dänemark ist die rechtspopulistische dänische Volkspartei an der Regierungskoalition beteiligt und hat jüngst durchgesetzt, dass an dänischen Grenzen wieder Zollkontrollen eingeführt werden, obwohl Dänemark im Schengen-Abkommen Reiseverkehr ohne Grenzkontrollen zugesagt hat. Die Partei, die viertstärkste Kraft im Lande ist, lehnt Einwanderung ab und hat für die Annahme der schärfsten Einwanderungs- und Asylgesetze im europaweiten Vergleich gesorgt. Die dänische Volkspartei hat zwei Abgeordnete im Europäischen Parlament.
"Kranker Psychopath"
Ähnlich wie die rechtspopulistischen Parteien in Nordeuropa agiert auch die niederländische Partei für die Freiheit (PVV). Der islamfeindliche Rechtspopulist Geert Wilders errang mit seiner Partei, deren einziges Mitglied er ist, bei den Parlamentswahlen 2010 einen großen Erfolg. Er ist jetzt drittstärkste Kraft im Parlament und toleriert eine konservative Minderheitsregierung. Geert Wilders hat den norwegischen Attentäter einen gewalttätigen und kranken Psychopathen genannt, dessen Taten er zutiefst verabscheue. Anders Behring Breivik hatte die PVV in einem Internet-Beitrag als "wahrhaft konservativ" gelobt.
Die französische Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft hatte die rechtspopulistischen Parteien für die Anschläge von Oslo mitverantwortlich gemacht. Vor allem die rechtsextreme Front National in Frankreich wies diesen Vorwurf scharf zurück. Front National hatte unter der Führung von Marine Le Pen in diesem Jahr bei den Regionalwahlen einen außerordentlich hohes Ergebnis erzielt. Sie lag nur einen Punkt hinter der Partei von Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Marine Le Pen wird im kommenden Jahr als Präsidentschaftskandidatin gegen Sarkozy antreten. In manchen Meinungsumfragen führt sie das Rennen an. Front National lehnt den Islam, Einwanderung und die Europäische Union ab. Marine Le Pen ist die Tochter des Parteigründers Jean-Marie Le Pen, der dieses Jahr nach fast dreißig Jahren an der Parteispitze zurücktrat.
Auf der Welle des Anti-Islamismus
In Belgien, der Schweiz, Österreich und Italien sind ebenfalls rechtspopulistische Parteien aktiv, teilweise sogar an der Regierung beteiligt. In Deutschland haben die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien auf nationaler Ebene bislang keinen Erfolg. In Deutschland schwimmen die Rechten vor allem auf der Anti-Islam-Welle mit. Wie in ganz Nordeuropa sind Muslime in Deutschland zum Hauptfeindbild des rechtsextremen Spektrums geworden, schreibt die Politikwissenschaftlerin Britta Schellenberg im "Netz gegen Nazis". So haben sich rechte Parteien aus Belgien und Österreich mit den lokal und regional tätigen Gruppierungen "Pro-Köln" oder "Pro-NRW" in Netzwerken organisiert.
Ungarn ist das einzige Land in der Europäischen Union, in dem eine nationalistisch bis rechtspopulistische Partei die Regierung stellt. Die FIDESZ von Ministerpräsident Viktor Orban verfügt im Parlament über eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Im Parlament ist die rechtsextreme Partei Jobbik die drittstärkste Kraft. Jobbik wird von vielen Politikwissenschaftlern als Neonazi-Partei angesehen.
Im Europäischen Parlament konnten die rechtsextremen Parteien bei den Wahlen 2009 in der EU zulegen. Insgesamt haben sie 39 Mandate errungen, konnten sich aber nicht auf die Bildung einer gemeinsamen Fraktion einigen.
Autor: Bernd Riegert (dpa, dapd, afp)
Redaktion: Iveta Ondruskova