Rassismusvorwürfe gegen André Poggenburg
15. Februar 2018Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef André Poggenburg hat für seine abfälligen Äußerungen über die türkische Gemeinde in Deutschland viel Kritik bekommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und zahlreiche Politiker attackierten ihn scharf, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) erwägt sogar eine Strafanzeige.
"Was ich sehe ist, dass es Politiker gibt, die Maßlosigkeit in der Sprache, Rücksichtslosigkeit und Hass in ihrer Haltung zu einer eigenen Strategie machen", sagte Steinmeier bei seinem Antrittsbesuch in Sachsen-Anhalt. "Und ich hoffe nur, dass sich die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht vor diesen Karren spannen lassen."
"Kümmelhändler" und "Kameltreiber"
Poggenburg hatte in seiner Rede zum politischen Aschermittwoch auf die Kritik der Türkischen Gemeinde am geplanten Heimatministerium auf Bundesebene reagiert. TGD-Bundeschef Gökay Sofuoglu hatte das Vorhaben mit einem Verweis auf die deutsche Geschichte abgelehnt. "Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch, für den sie bis heute keine Verantwortung übernehmen", sagte Poggenburg. "Und die wollen uns irgendetwas über Geschichte und Heimat erzählen? Die spinnen wohl. Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören."
Maas sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND): "Wer Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Abstammung diskriminiert, muss sich vorhalten lassen, ein Rassist zu sein." Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nannte Poggenburgs Wortwahl auf dem Kurznachrichtendienst Twitter "unanständig und beleidigend". Die AfD zeige "immer mehr ihr wirkliches Gesicht". Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt twitterte, dass Hetze nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Poggenburg
Über die doppelte Staatsbürgerschaft sagte Poggenburg, diese bringe nichts hervor "als heimat- und vaterlandsloses Gesindel, das wir hier nicht länger haben wollen". Sofuoglu kündigte mögliche rechtliche Schritte der Türkischen Gemeinde an. "Wir erwägen Klagen wegen Verleumdung, Diskriminierung und übler Nachrede in den nächsten Tagen", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bei Poggenburgs Rede hätten viele Anhänger im Saal gejohlt. Diese Szene erinnere ihn an Auftritte des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels, sagte Sofuoglu.
Die Beleidigungen beschäftigen nun auch die Staatsanwaltschaft Dresden: Es sei ein sogenanntes Prüfverfahren gegen Poggenburg eingeleitet worden, sagte Sprecher Lorenz Haase. "Hintergrund ist eine Strafanzeige von einer Privatperson."
"Völlig unangebrachte Kritik"
In einer Stellungnahme wies Poggenburg die Proteste als "Stimmungsmache" zurück. Zwar habe er "hart und grob formuliert", doch werde beim politischen Aschermittwoch "gewöhnlich sehr pointiert gesprochen". Eine "direkte Beleidigung oder Herabsetzung anderer Nationalitäten" liege ihm "völlig fern". Seine Äußerungen hätten sich nicht auf "die Türken als Volksgruppe" bezogen, sondern seien eine "heftige Gegenreaktion" auf die "völlig unangebrachte Kritik" der Türkischen Gemeinde am geplanten Heimatministerium gewesen.
"Braunes Fundament"
AfD-Politiker fielen wiederholt mit Verbalattacken gegen türkischstämmige Menschen in Deutschland auf. Im Wahlkampf hatte der Spitzenkandidat der Rechtspopulisten, Alexander Gauland, davon gesprochen, die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz "in Anatolien zu entsorgen".
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, forderte im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen: "Viele Funktionäre und Amtsträger in der AfD sind Rechtsradikale oder stehen rechtsradikalem Gedankengut nahe."
mb/ml (dpa, afp, epd)