Rassimus im englischen Frauenfußball?
23. August 2017"Wir wollten die beste Mannschaft der Welt werden", sagte Mark Sampson, Trainer der englischen Frauenfußball-Nationalmannschaft vor Beginn der Europameisterschaft in den Niederlanden: "Wir sind in dieses Turnier gegangen, um es zu gewinnen. Wir sind gut genug und müssen es nur noch beweisen!" Selbstbewusstsein - eines der Markenzeichen Sampsons. Genau so wie der schnelle, druckvolle Fußball, den der gebürtige Waliser seit seinem Amtsantritt 2013 spielen lässt. Doch im EM-Halbfinale war Schluss, mit 0:3 unterlag sein Team dem Gastgeber und späteren Europameister Niederlande. Sampsons trotzige Reaktion: "Ich bin zwar sehr enttäuscht. Aber wir machen weiter und haben noch große Ziele."
"Pass auf, dass Sie kein Ebola mitbringen"
Doch was die englische, in Nigeria geborene Fußball-Nationalspielerin Eniola Aluko jetzt in einem Interview mit dem britischen Sender BBC und dem Guardian preisgegeben hat, lässt den ehrgeizigen Trainer in einem schlechten Licht dastehen. Es geht um Rassismus-Vorwürfe: "Pass auf, dass sie kein Ebola mitbringen", soll Sampson schon im November 2014 über Alukos nigerianische Familie gesagt haben, als diese ihre Tochter in London besuchen wollten. Laut Aluko kein Einzelfall. Immer wieder habe sich der Nationaltrainer herabwürdigend gegenüber ihr und anderen dunkelhäutigen Spielerinnen verhalten.
Aluko hatte sich bereits 2016 im Rahmen einer internen Untersuchung vertraulich an den englischen Fußballverband FA gewendet. Kurz danach wurde sie von Nationaltrainer Sampson ausgebootet. Reiner Zufall, heißt es heute. Seitdem hat Aluko nicht mehr für England gespielt und wurde auch nicht für die EM nominiert. Dabei hätte die Mannschaft Alukos Torriecherr gut gebrauchen können. Immerhin hat sie in 102 Länderspielen 33 Tore geschossen und ist bei ihrem Verein Chelsea London 2016 Torschützenkönigin der Women's Super League geworden. Aluko war frustriert - und das Verlangen darüber zu sprechen wurde immer größer.
80.000 Pfund Schweigegeld?
Damit Aluko nicht schon im Vorfeld der Europameisterschaft arbeitsgerichtliche Schritte einleitet, hat die FA ihr 80.000 Pfund bezahlt. In englischen Medien fällt im Zusammenhang mit der Zahlung oft das Wort "hush money" - Schweigegeld. Das bestreiten aber beide Seiten. Aluko erklärt, sie habe das Geld angenommen, weil es sich ungefähr um die erwartete Entschädigung gehandelt habe, die sie auch von einem Gericht zugesprochen bekommen hätte. Teil des Deals sei aber gewesen, dass sich Aluko nicht vor dem Turnier zu Sampson äußern durfte. Also doch ein - zumindest temporäres - Schweigegeld? Der Verband widerspricht dem. Aussage gegen Aussage.
Paul Mortimer war früher selbst Fußballprofi bei Charlton Athletic und Aston Villa. 2001 hat er seine Karriere in England beendet, begonnen hat er sie aber bereits in den 1980ern. Zu einer Zeit, in der offener Rassismus in der englischen Fußballkultur noch tief verwurzelt war. Heute engagiert er sich in dem Anti-Rassismus-Verein "Kick it out". Zu Eniola Aluko sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Wir müssen herausfinden, was wirklich geschehen ist. Und das geht nur mit einer weiteren, unabhängigen Untersuchung." Diese erneute Untersuchung kommt für den Verband aber nicht infrage. Das Argument: Es habe schon eine unabhängige Untersuchung gegeben.
Zweifel an der Unabhängigkeit der Untersuchung
Doch an deren Unabhängigkeit werden immer mehr Zweifel laut. Denn: Die mit der Untersuchung beauftragte Anwältin Katherine Newton wurde von der FA bezahlt. Auch von anderen Seiten wird Druck auf die FA ausgeübt. Der Präsident der englischen Spielervereinigung PFA, Gordon Taylor, sagte dem britischen Telegraph am Dienstag, dass er eine neue, offene und unabhängige Untersuchung unterstütze. Der ehemalige FA-Funktionär Simon Johnson äußerte sich ähnlich: "Der bisherige Prozess war sehr widersprüchlich und hat nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis geführt."
Auch Alukos Verein, der FC Chelsea, hat sich hinter seine Spielerin gestellt, ohne sich jedoch konkret zu den Untersuchungen zu äußern. In einem Statement begrüßte ein Pressesprecher allerdings, dass Aluko offen über ihre Erfahrungen spricht und sicherte zu, dass der Verein entschieden gegen Rassismus eintrete. Lianne Sanderson, eine Spielerin, die laut Aluko ebenfalls Opfer rassistischer Äußerungen Sampsons war, solidarisierte sich auf Twitter ebenfalls:
Mark Sampson selbst hat sich in einem Statement der FA ebenfalls geäußert und dabei alle Vorwürfe bezüglich Rassismus von sich gewiesen. Er behandele alle Spieler gleich, egal welchen Hintergrund sie haben. Trotzdem begrüße er die Untersuchungen und gestehe ein, dass er zumindest an seinem Kommunikationsstil etwas ändern könne. Der englische Fußballverband stellt sich noch hinter ihn. Aber wie lange noch?
Thema Rassismus steht wieder auf der Agenda
"Das alles wirft kein gutes Licht auf den englischen Fußball. Mark Sampson ist der erfolgreichste Trainer der letzten Jahre in England. Und jetzt steht der Vorwurf im Raum, dass dieser Mann ein Rassist ist", sagt Paul Mortimer vom Anti-Rassismus-Verein "Kick it out". Er begrüßt es sehr, dass Aluko mit den Vorwürfen an die Öffentlichkeit gegangen ist. Einerseits, weil das Thema Rassismus im englischen Fußball wieder auf der Agenda ist. Andererseits, weil sich nun vielleicht weitere Fußballer oder Fußballerinnen dazu ermutigt fühlen, Erfahrungen mit Rassismus offen anzusprechen.