Geld von den Taliban oder vom Westen?
4. Februar 2010Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle hatte vor allem in der deutschen Presse viel Kritik für seinen Vorschlag geerntet, integrationsbereiten Taliban Geld zu geben, um so einen Versöhnungsbeitrag zu leisten. Doch bei der Afghanistan-Konferenz in London wurde daraus ein konkretes Projekt. Mehrere Staaten wollen in diesen so genannten Reintegrationsfonds einzahlen, Deutschland beispielsweise zehn Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren.
Auch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen kann sich für die Idee erwärmen und nahm gleichzeitig zu der Kritik Stellung. Kurz vor Beginn der Instanbuler Verteidigungsministerkonferenz nannte er das Angebot in einer Videobotschaft eine “Investition in Versöhnung und Frieden". "In Afghanistan kämpfen viele nicht aus religiösen oder ideologischen Gründen. Sie kämpfen für die Taliban für ein bisschen Geld, nur um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wir bieten ihnen einen neuen Weg in ihrem Leben."
Keine Bestechung um des Friedens willen
Rasmussen versuchte vor allem, Bedenken zu zerstreuen, der Westen wolle sich mit fragwürdigen Mitteln einen Frieden in Afghanistan erkaufen. Er nannte strikte Bedingungen: "Erstens muss dieser Prozess von den Afghanen selbst getragen werden. Zweitens muss jedes Friedensangebot die afghanische Verfassung und das Völkerrecht achten. Das heißt, es muss die Demokratie und die Menschenrechte einschließlich der Rechte der Frauen achten. Wir unterstützen also Versöhnung und Wiedereingliederung, aber wir tun das nicht auf Kosten unserer Werte und Interessen."
Lohnende Investition oder Verschwendung?
Was Rasmussen damit nicht beantwortet hat, ist Folgendes: Wie kann man gewährleisten, dass Taliban das Geld kassieren, aber dann trotzdem weiterkämpfen? Und wie kann man diejenigen aussieben, die sich um des Geldes willen als Taliban ausgeben, womöglich mehrfach in verschiedenen Teilen des Landes? Einige Kritiker haben gesagt, im schlimmsten Fall finanziere der Fonds sogar Terrorismus. Alle diese Einwände dürften in Istanbul weiter besprochen werden.
Afghanischer Armee fehlen die Mittel
Doch nicht nur beim Reintegrationsfonds geht es unter anderem ums Geld. Auch der Aufbau der afghanischen Armee ist nicht zuletzt eine finanzielle Frage. Die NATO hat ausgerechnet, dass erst ein Fünftel der jährlich benötigten Mittel tatsächlich gezahlt sind. Alle Abzugspläne der internationalen Truppen hängen aber davon ab, dass afghanische Soldaten die ausländischen ersetzen können. Damit ist auch die Frage eines Abzugs letztlich eine finanzielle. Es dürfte kein Zufall sein, dass die Zahlen gerade jetzt veröffentlicht werden. Sowohl die NATO-Konferenz in Istanbul als auch die nachfolgende Münchener Sicherheitskonferenz sind Gelegenheiten, um die Bündnispartner zu weiteren Anstrengungen aufzufordern.
Autor: Christoph Hasselbach, zurzeit in Istanbul
Redaktion: Ursula Kissel