Rasmussen drängt auf neues Nato-Konzept
7. Februar 2010Kernaufgabe der Nato bleibe die Verteidigung ihrer Mitgliedstaaten, allerdings habe sich die Art der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, Piratenüberfälle oder Cyber-Angriffe in den vergangenen Jahren grundlegend geändert, erklärte Rasmussen am Sonntag (07.02.2010) bei der Sicherheitskonferenz in München.
Eine "wirkliche Kulturrevolution"
Sicherheit erfordere heute ein "aktives Eingreifen, möglicherweise auch sehr weit von unseren Grenzen entfernt", sagte Rasmussen. Dabei sei eine enge Vernetzung mit anderen internationalen Akteuren und Staaten unerlässlich. Vor allem der Afghanistan-Konflikt sei ein "klares Beispiel" dafür, dass Sicherheit im 21. Jahrhundert kein "Staffellauf" sei, bei dem ein Akteur den Stab an den nächsten weiterreiche. "Wir brauchen Bemühungen als Team, das zusammen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet", betonte Rasmussen. Und er stellte die rhetorische Frage: "Wo wäre denn der Schaden, wenn Länder wie China, Indien, Pakistan oder andere engere Bande mit der Nato knüpfen würden?"
Rasmussen bedauerte, dass in Afghanistan nach wie vor viele Organisationen nebeneinanderher arbeiteten. "Sie planen nicht zusammen, sie arbeiten nicht zusammen, sie meiden das Militär, um ihre Unabhängigkeit zu betonen. Ein Ende dieser Zersplitterung erfordert eine wirkliche Kulturrevolution, die mit herkömmlichem Denken bricht."
Keine Konkurrenz zu UN
Sein Vorstoß bedeute nicht, dass die Nato künftig rund um die Welt militärisch aktiv sein solle, versicherte Rasmussen. Auch wolle die Nato keineswegs in Konkurrenz zu den Vereinten Nationen treten. Vielmehr könnten die UN von einer transformierten NATO profitieren. Schließlich fänden schon heute viele Einsätze der Militärallianz im Rahmen von UN-Resolutionen statt.
An Russland richtete Rasmussen den Appell, sich stärker in Afghanistan zu engagieren. Er habe der Regierung in Moskau mehrere Vorschläge unterbreitet, wie sich Russland am Afghanistan-Einsatz beteiligen könnte. Dazu zähle unter anderem, den afghanischen Einheiten Hubschrauber zur Verfügung zu stellen und die Ausbildung von Soldaten und Polizeikräften zu übernehmen. Die Nato werde Afghanistan weiter zivil und militärisch unterstützen, versprach Rasmussen.
"Wir reden zu viel"
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sprach sich dafür aus, die Reform der Nato rasch anzugehen und nicht in Debatten zu verharren. "Wir reden zu viel, und wir erreichen zu wenig", meinte Guttenberg. Die Militärallianz habe noch immer den Ruf, dass sie ihren Daseinszweck verloren habe.
Für die geplante neue Strategie des Bündnisses wünsche er sich mutige und pragmatische Vorschläge. Die Zeit der "Fensterreden" müsse vorbei sein, sagte der Minister in der Debatte über die Zukunft des transatlantischen Bündnisses. Zugleich stellte Guttenberg das Prinzip der Einstimmigkeit in der Nato infrage. Das dort in allen Gremien geltende Prinzip sei eine "gepflegte Absurdität". Auch die Zusammenarbeit zwischen der Nato und der Europäischen Union bleibe hinter den Möglichkeiten zurück, meinte der Minister. "Wir müssen die Verteidigungsplanung noch enger aufeinander abstimmen."
Guttenberg räumte erneut "große Risiken" ein, die in Afghanistan eingegangen würden. Diese hätten aber auch inzwischen einige Erfolge gebracht. "Es ist nicht mehr alles nur schlecht in Afghanistan." Jetzt sei es an Präsident Hamid Karsai, "den Weg zur Eigenverantwortung weiterzugehen und zu beweisen, dass die in ihn gesetzten Erwartungen auch erfüllt werden können."
Autor: Christian Walz (afp, dpa, apn, rtr)
Redaktion: Hans Ziegler