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Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Lindemann: Zeit für Klartext

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch
5. Juni 2023

Die Debatte um sexuelle Nötigung bei Rammstein-Konzerten wird immer hitziger, obwohl die Band nun ihre Betroffenheit geäußert hat. Das ist immer noch zu wenig, findet DW-Redakteurin und Rammstein-Fan Silke Wünsch.

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Sänger Till Lindemann bei einem Konzert
Till Lindemann Bild: Gonzales Photo/Christian Hjorth/PYMCA/Photoshot/picture alliance

Auch Nicht-Konzertgänger wissen inzwischen, was eine "Row Zero"ist. Die magische Zone zwischen Bühne und Publikum, in der ausgesuchte Fans beim Konzert zugucken und vor oder nach der Show zusammen mit den Stars eine Party feiern können. Das gilt übrigens für Frauen wie Männer gleichermaßen. Der Traum eines jeden Fans! Einmal dem Idol so richtig nahe kommen. Früher nannte man die Frauen, die One-Night-Stands mit Rockstars hatten, "Groupies" - dieser Begriff ist so gut wie ausgestorben. Auch wenn es diese Frauen immer noch gibt, dann haben sie das Recht darauf, Nein zu sagen und unverletzt nach Hause gehen können.

Rammstein-Sänger Till Lindemann zündet Flammenwerfer auf seinem Rücken während eines Konzerts in Prag 2022
Rammstein als Flammenmensch auf der Bühne in PragBild: Matthias Matthies

Läuft es allerdings so ab, wie es immer mehr Frauen - teils unter Eid - nun über die Begegnungen mit Till Lindemann berichten, dann läuft da etwas gewaltig schief. Dann geht es um Machtmissbrauch, um das schamlose Ausnutzen der ohnehin schwierigen Beziehung zwischen Fan und Star, die in der Regel einseitig ist. Traut sich eine Frau, dem Star zu sagen, er solle aufhören? Hört der Star auf, wenn die Frau darum bittet? Wie reagiert er?

Keine Toleranz für Tabubrüche im Backstage-Bereich!

Rammstein provozieren seit ihren Anfängen mit Tabubrüchen, Lindemann phantasiert in einem seiner Gedichte über Sex mit schlafenden/bewusstlosen Frauen. In ihrem Werk sind Rammstein - Lindemann voran - ultraböse Jungs, aber in Wirklichkeit sollen es doch ganz liebe Kerle sein.

Werden im Backstage-Bereich doch Tabubrüche begangen? Ist nur Lindemann der Täter? Was wissen die anderen Bandmitglieder? Was ist da los in diesem Rammstein-Kosmos, der zurzeit einfach nur weiter tourt, Konzerte gibt und Fotos davon auf Instagram postet. Nach der ersten Äußerung der Band, in der es es heißt, man wisse nichts davon, dass sich so etwas zugetragen habe, meldete sich die Band inzwischen erneut erneut. In einem Instagram-Post schreiben sie, sie seien von den Vorwürfen "sehr getroffen" nähmen diese "außerordentlich ernst". Zudem verurteilen sie jede Art von Übergriffigkeit und bitten die Fans, weder die eine noch die andere Seite vorzuverurteilen. Die Debatte im Netz ist allerdings weiter aufgeheizt.

Deutschland I Rock im Park -  Till Lindemann der Gruppe Rammstein
Till Lindemann im Jahr 1998Bild: Claus Felix/dpa/picture-alliance

Die Fans sind nach wie vor völlig verunsichert - dürfen sie die Band noch gut finden? Sollen sie ihre Karten zur derzeit laufenden Tour abgeben? Dürfen sie noch mit einem Rammstein-T-Shirt auf die Straße gehen, ohne angefeindet zu werden? In vielen Kommentaren unter Rammstein-Posts in den sozialen Netzwerken bitten die Fans die Band um eine Stellungnahme. Und auch unter dem letzten Post fordern Fans die Bereitschaft der Band, Klartext zu sprechen.

Idol Lindemann bröckelt

Als Rammstein-Fan bittet auch die Autorin dieses Kommentars darum. Es ist auch wichtig, dass Till Lindemann Empathie zeigt, sowohl mit den Frauen, die ihn nun beschuldigen, als auch mit den Fans, die Klarheit darüber haben wollen, ob sie Lieder wie "Rein raus" noch feiern dürfen, oder ob es einem dabei kalt den Rücken runter läuft.

Als Frau wünscht sich die Autorin dieses Kommentars, dass die Frauen die Wahrheit sagen. Damit ihre Aussagen glaubhaft bleiben. Das ist im Sinne von uns allen. Die #MeToo-Bewegung kann nur stark, mächtig und hilfreich sein, wenn sie nicht missbraucht wird.

Bis die Wahrheit ans Licht kommt, muss dringend der Ball flach gehalten werden. Für Till Lindemann gilt das Unschuldsprinzip, so lange ihm die Taten nicht nachgewiesen werden können. Die Frauen, die die Anschuldigungen erheben, sind als Opfer anzusehen und nicht als Lügnerinnen, die sich ins Rampenlicht schieben wollen. Die toxischen Debatten im Netz tragen nichts zur Wahrheitsfindung bei, hier fallen nur verschiedene Lager übereinander her und verteidigen mit Zähnen und Klauen ihre eigenen Wahrheiten. Auch um diesen unsäglichen Zustand zu beenden, sollten Rammstein unbedingt Stellung nehmen.

Information: Dieser Kommentar wurde am 5. Juni 2023, nachdem sich Rammstein erneut zu Wort gemeldet haben, aktualisiert.

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Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online