Queer-Beauftragter der Bischöfe: Keine Diskriminierungen
4. Dezember 2024Die katholische Kirche in Deutschland bemüht sich um mehr Offenheit für queere Katholiken, für LGBTQ+-Menschen. Seit langem gibt es entsprechende Appelle und Protestaktionen .
DW: Herr Weihbischof, was bedeutet queer? Und was bedeutet es, der Beauftragte der Bischofskonferenz zu sein?
Weihbischof Ludger Schepers: Dass es Menschen gibt, die eine andere sexuelle Identität oder Orientierung haben als vielleicht die meisten, die man kennt. Und dass ich offiziell als Vertreter der Kirche sagen kann: Das sind Menschen wie du und ich. Das Menschsein ist das Entscheidende.
Sie sind jetzt ein Dreivierteljahr der Beauftragte für queere Seelsorge. Wo müssen Sie mehr Überzeugungsarbeit leisten: bei Mitbrüdern im bischöflichen Amt oder bei Gläubigen in Pfarrgemeinden?
Mit Blick auf die Pfarrgemeinden ist es ja so, dass es bereits in jeder Diözese Ansprechpartner:innen und konkrete Vermittlung gibt. Von daher ist das Problem leichter gelöst als die Fragestellung, die ich noch mit meinen bischöflichen Mitbrüdern zu erörtern habe.
Da gibt es zwar die Erkenntnisse aus dem Synodalen Weg. Und Arbeitskreise, in denen weitergearbeitet wird. Aber mit der großen Runde der Bischöfe oder mit der Pastoralkommission der Bischofskonferenz selber hat es zum Beispiel noch kein Gespräch gegeben.
Ich würde gern noch mal nach den Gemeinden fragen. Wenn Sie als Weihbischof mit Menschen an der Basis sprechen, sind diese bei dem Thema weiter als die Kirche?
Häufig ja. Zumindest fast immer, wenn sie mit einer queeren Person entweder verwandt, befreundet oder auch nur bekannt sind. Dann ist das heute in der Regel kein großer Konflikt mehr. Es mag Ausnahmen geben, vielleicht bei Transpersonen, die durch Kleidung oder äußere Zeichen auffallen. Dann mag es sein, dass eher Fragen gestellt werden oder es eher in Frage gestellt wird als sonst.
Sehen Sie bei der Akzeptanz in Gemeinden ein Stadt-Land-Gefälle?
Das scheint mir so. Ich kann mir das auch gut vorstellen. Auf dem Land kann es schwieriger sein, mit diesen Fragen umzugehen. In der Stadt kann man leichter sozusagen untertauchen. Man wird nicht so schnell identifiziert wie auf dem Land. Das wird ja auch daran deutlich, dass es gerade in großen Städten wie in Köln oder Münster große Communities gibt.
Sie haben auf den Synodalen Weg verwiesen. Damit hat sich die katholische Kirche in Deutschland vor fünf Jahren auf einen Prozess des Nachdenkens oder der Weiterentwicklung gemacht. Aber es gibt sicher Bischöfe, die Ihnen sagen werden, die Schöpfungslehre ist deutlich: Queere Identität gehört nicht zu unserem Glaubensbild. Ende der Debatte. Können Sie da etwas erreichen? Auch eine Änderung der kirchlichen Lehre?
Ich glaube gar nicht, dass man die kirchliche Lehre verändern muss in der grundsätzlichen Annahme, dass jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist. Und so wie er oder sie jetzt ist, ist das einfach so. Da gibt es kein Vertun. Es gibt kein Weniger und kein Mehr an Würde. Diese Würde, Mensch zu sein und Geschöpf Gottes zu sein, ist unteilbar.
Was in den Texten der Kirche steht, ist zeitbedingt und muss angesichts der Erkenntnisse, die wir heute in moraltheologischer und ethischer Sicht haben, überprüft werden. Beim Synodalen Ausschuss, der demnächst tagt, wird es auch darum gehen, wie wir mit Beschlüssen umgehen, die vom Synodalen Weg bereits abgesegnet sind, und mit Beschlussvorlagen, die nur noch nicht abgeschlossen werden konnten. Daran werden wir weiterarbeiten. Die Weltsynode in Rom hat gezeigt, dass sich die Haltung der Kirche in dieser Frage verändert.
Na ja, sie hat es eher erahnen lassen.
Das ist nicht immer eindeutig, gerade auch bei Papst Franziskus. Aber ganz eindeutig ist, dass der US-Jesuit James Martin bei diesem Thema auf der großen Bühne der Weltkirche eine wichtige Figur ist und vorantreibt. Und auch der neue Kardinal aus Hongkong hat sich in einem Interview entsprechend geäußert.
Nun haben in der katholischen Kirche in Deutschland mehrere Diözesen queere Seelsorge etabliert. Im Erzbistum München-Freising startete Anfang Dezember offiziell ein "Netzwerk Queer-Seelsorge". In weiteren Bistümern, so in Freiburg, Trier oder Berlin, gibt es bereits entsprechende Netzwerke. Sollte jede Diözese ein solches Angebot aufbauen und Mitarbeiter entsprechend ausbilden?
Unter den heutigen Bedingungen und angesichts der knapper werdenden Personalmöglichkeiten wird wahrscheinlich nicht jede Diözese das Thema so groß aufziehen können wie große Erzbistümer wie beispielsweise München oder Freiburg. Deshalb gilt es, sich zu vernetzen. Wünschenswert ist aber im Grundsatz, dass vor Ort jedes Personal, vom Priester oder Diakon über die Pastoral- und Gemeindereferent:Innen bis hin zur Pfarrsekretärin oder dem Hausmeister, sensibel dafür ist in seiner Wortwahl und dass die Anliegen der Menschen ernst genommen werden. Es sollte zu keinen Diskriminierungen kommen.
Sollte das Thema in der Priesterausbildung fest verankert sein?
Ja, auf jeden Fall.
Sie haben dieses Amt nun seit Februar inne…
Ich mache es ohne den offiziellen Auftrag eigentlich schon seit sechs Jahren. Jetzt ist es nur offiziell…
Wie sind ihre Erfahrungen in dieser Arbeit? Sie werden Menschen erleben, die von der Kirche verletzt wurden und Ausgrenzung erlebten. Sie werden auch Kritik abbekommen.
Die katholische Kirche kümmert sich um queere Seelsorge. Das wird sehr oft sehr positiv wahrgenommen. Nicht von allen Kreisen, das ist klar. Nach mancher Äußerung werde ich auch mal fast mit Bibelstellen erschlagen oder mit Vorwürfen konfrontiert, ich sei nicht mehr katholisch. Aber in den direkten Begegnungen kommen häufig Anfragen nach einem persönlichen Gespräch oder genau die Bitte, die queere Seelsorge zum Thema zu machen.
Ich mach diese Arbeit einfach gerne. Denn meine Überzeugung ist nach Artikel 1 unseres Grundgesetzes ganz grundsätzlich, dass niemand wegen irgendetwas schlechter gestellt oder diskriminiert werden soll.
Ludger Schepers (71) ist seit 2008 Weihbischof im Bistum Essen. Im Februar 2024 bestimmte ihn die Deutsche Bischofskonferenz zum Beauftragten für Queer-Pastoral.
Das Gespräch führte Christoph Strack.
Hinweis: Die Schreibweise entspricht der von Weihbischof Schepers verwendeten Form.