Pakistanische Symbolik
2. Oktober 2007Mehr als 80 Abgeordnete des pakistanischen Parlaments haben am Dienstag (02.10.2007) aus Protest gegen Präsident Pervez Musharraf ihre Mandate niedergelegt. Sie wollten damit die Glaubwürdigkeit der geplanten Wiederwahl des Präsidenten am Samstag in Zweifel ziehen. Die Wiederwahl selbst können die Abgeordneten der Opposition damit nicht verhindern, da Musharraf eine Mehrheit im 342 Sitze starken Parlament hat. Der Präsident wird von den beiden Kammern des Bundesparlaments und vier Regionalparlamenten gewählt.
Kurz nachdem die Abgeordneten ihre Mandate niederlegten, verkündete Musharraf, wer sein Nachfolger als Armeechef werden soll. Ashfaq Pervez Kiani, der ehemalige Geheimdienstchef, wurde zu seinem Stellvertreter in der Armee berufen. Damit ist er Musharrafs Nachfolger, wenn dieser, wie angekündigt, seinen Posten als Armeechef nach einer erfolgreichen Wiederwahl als Präsident aufgibt. Kiani gilt als loyaler Anhänger des Präsidenten und seine Nominierung als strategischer Schachzug, da sich so ein ziviler Präsident Musharraf der Loyalität des Militärs sicher sein kann.
Musharraf bald wirklich ziviler Präsident?
Dass die Ankündigung seines Nachfolgers direkt nach den Mandatsniederlegungen der Opposition kommt, sei nicht als Symbol oder Zugeständnis an die Opposition zu sehen, meint Christian Wagner, Pakistan-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Musharraf habe in den letzten Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass er Mitte November sein Amt niederlegen wolle. Die angekündigte Nachfolgeregelung spreche allerdings dafür, dass er die Uniform wirklich ablegen werde. Musharraf habe dies in den letzten Jahren schon häufiger angekündigt, die Ankündigung aber nicht umgesetzt.
Amnestie für Benazir Bhutto
Kiani sei auch an den Verhandlungen zwischen Präsident Musharraf und der Ex-Premierministerin Benazir Bhutto beteiligt gewesen, berichtet Wagner weiter. Bhutto, die seit acht Jahren im Exil lebt, hatte in der Vergangenheit mit Musharraf über eine mögliche Zusammenarbeit und eine Rückkehr ihrerseits verhandelt. Kurz nachdem Musharraf seinen Nachfolger benannte, kündigte die pakistanische Regierung eine Amnestie für Bhutto an, die sich mit ihrem Gang ins Exil einer Strafverfolgung wegen Korruption entzog. Die ehemalige Premierministerin selbst hatte immer betont, die Vorwürfe seien ausschließlich politisch begründet. Bhutto plante auch schon vorher eine Heimkehr am 18. Oktober und will am Mittwoch mit Parteifreunden in London ihre künftige Strategie planen.
Zerrissene Opposition
Bisher hatte die liberale Volkspartei (PPP) von Bhutto sich auch nicht an den Rücktritten aus dem Parlament beteiligt. Es bleibe allerdings abzuwarten, was in den nächsten Tagen passieren werde, sagt Pakistan-Experte Wagner. Innerhalb der Partei habe man unterschiedliche Vorstellungen, ob man zurücktritt, ob man teilnimmt oder sich der Stimme enthalten werde. "Die Situation zeigt genau die Zerrissenheit der Opposition, die es in den letzten Wochen nicht geschafft hat, eine gemeinsame Strategie gegen Musharraf zu entwickeln." Man habe sich zwar vor einigen Monaten in London darauf verständigt eine gemeinsame Strategie zu erarbeiten, allerdings versuche doch jede Oppositionspartei die eigene Machtposition durch Deals mit dem Präsidenten zu verbessern.
Der Rücktritt der Abgeordneten, die aus unterschiedlichen kleinen Oppositionsparteien kommen, habe in erster Linie eine symbolische Bedeutung. "Die Wahl selbst kann trotzdem stattfinden, es gibt kein Mindestquorum", erläutert Wagner. Allerdings sei die Legitimation Musharrafs danach deutlich eingeschränkt. So hatte es auch der Oppositionsführer im Parlament, Maulana Fazal-ur Rahmann, erklärt: "Nach unserem Rücktritt hätte Musharrafs Erfolg keinen Wert." Gleichzeitig reichten zwei ehemalige Richter Klage beim Obersten Gericht des Landes an. Sie führten an, Musharraf dürfe nicht zur Wahl antreten, da er immer noch Heereschef sei. Die Wahlkommission hätte seine Nominierung nicht akzeptieren dürfen. Das Verfassungsgericht hatte allerdings schon am Freitag entsprechende Petitionen der Opposition zurückgewiesen.
Proteste und Demonstrationen gegen Musharraf
Seitdem nehmen die Proteste und Demonstrationen von Musharraf Gegner zu. Am Samstag waren rund 60 Menschen verletzt worden, als die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas vorging. Am Montag ordnete der oberste Verfassungsrichter Iftikhar Chaudhry, der selbst von Musharraf im März suspendiert und erst nach massiven Protesten im Juli wieder eingesetzt wurde, deswegen die Suspendierung des Polizeichefs von Islamabad und von dessen Stellvertreter an. Auch am Montag waren nach Angaben der Opposition und von Nachrichtensendern tausende Demonstranten in Islamabad und anderen Städten auf den Straßen.
Unruhige Zeiten stehen weiterhin bevor
"Die Präsidentschaftswahl am Samstag wird erst der Auftakt sein. Die unruhige Phase wird erst mit dem Abschluss der Parlamentswahlen und der Regierungsbildung Anfang nächsten Jahres ihr Ende finden", blickt Pakistan-Experte Wagner auf die nächsten Monate. Die Terrorismusbekämpfung und das Verhältnis zu den USA seien wichtige Themen, zu denen die einzelnen Parteien sich im Vorfeld der Parlamentwahl positionieren müssten. Welche Rolle Bhutto mit ihrer USA freundlichen Politik spielen wird, was die religiösen Parteien verfolgen und ob vielleicht auch der andere Ex-Premier Nawaz Sharif ein zweites Mal zurückkomme – es werde in den nächsten Monaten sehr unruhig bleiben.