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Provokatives Polit-Potpourri

3. April 2006

Wie kann man Berlusconi loswerden? Vielleicht ja durch Abwahl - am 9. April. Es gibt aber auch noch andere Varianten - wie der satirische Film zeigt, der ab heute in Deutschland und in Italien in den Kinos läuft.

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Berlusconi-Darsteller Maurizio Antonini und Lucia ChiarlaBild: dpa

In Jan Henrik Stahlbergs brisanter Polit-Satire "Bye bye Berlusconi!" sind es nicht die Italiener im Allgemeinen, die sich die Frage stellen, wie man Berlusconi loswerden kann, sondern eine kleine Filmcrew aus Genua. Für den politischen Kampf mit dem als korrupt verdächtigten italienischen Ministerpräsidenten hat sie sich etwas ganz Besonderes ausgedacht: Einen Film, in dem Berlusconi entführt wird, um ihm im Internet einen Schauprozess zu bereiten. Um sich vor juristischen Angriffen zu schützen, verlegen die Filmemacher die Geschichte kurzerhand von Italien nach Entenhausen.

Micky Laus

Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Filmprojekt entwickelte Stahlberg gemeinsam mit seiner Ehefrau Lucia Chiarla. " Wir wollten den Film nicht nur in die Satire gleiten lassen", sagt der Regisseur, "das war auch eine juristische Notwendigkeit." Da der italienische Ministerpräsident namentlich nicht genannt werden durfte, tauften sie ihn in ihrem Film-im-Filmprojekt einfach um: Berlusconi wurde zu Micky Laus, Melonen-Produzent, Bürgermeister von Hühnerhausen und Herrscher über den Sender "Melonen-TV". Die passende Besetzung für diese Figur fanden sie im Internet mit dem römischen Schuhverkäufer Antonini, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Berlusconi besitzt.

Wenn die Produzenten, der Regisseur, diverse Darsteller und Drehbuchautoren zusammensitzen und wild durcheinander reden, glaubt man sich fast in einem Dokumentarfilm. Solche ständig neu aufkommenden Diskussionen stehen im Zentrum von Stahlbergs Regiedebüt, der als Schauspieler in "Muxmäuschenstill" bekannt wurde. Die Auseinandersetzungen zwischen den Filmemachern werden aber immer wieder von Einschüben dokumentarischen Materials durchbrochen. Zugleich mischen sich Aufnahmen rund um die Dreharbeiten mit denen des eigentlichen Films, der von der Entführung handelt.

Guerilla-Taktik

Aufgenommen wurde der Film mit einem kleinen Team im Guerilla-Stil. "Wir besaßen fast nie Drehgenehmigungen, weil wir keinerlei Aufmerksamkeit erregen wollten", verrät Stahlberg. Zur Sicherheit hatte das Team immer ein zweites Drehbuch mit einer anderen Geschichte parat und erstellt nach jedem Drehtag Sicherheitskopien von dem aufgenommen Material.

Zu den satirischen Höhepunkten des Film gehören die Szenen, die zeigen, was der Sender von Micky Laus so in den Äther schickt: Da gibt es die Werbung mit anzüglich agierenden jungen Frauen, die dümmlich-einseitige Berichterstattung über die Entführung und vor allem den Irrsinn der ständig durchs Bild laufenden Schrift-Bänder: Sie werben für ein Lied des entführten Bürgermeisters, das sich als Klingelton fürs Handy herunterladen lässt.

Schräger Underground-Charme

Durch die immer enger werdende Verzahnung der Rahmenhandlung und der Film-im-Film-Geschichte schafft es der Regisseur in dieser bunten, bitterbösen Farce, die Grenzen zwischen Realität, Dokumentation und Fiktion zunehmend verschwimmen zu lassen. Dieses provokative Polit-Potpourri amüsiert vor allem durch seinen schrägen Underground-Charme, der von spontanem Aktionismus, Aufbruchstimmung und absoluter Absurdität geprägt ist.

Nur eins ist schade. Nämlich, dass "Bye Bye Berlusconi!" so kurz vor den Parlamentswahlen in Italien in die Kinos kommt. Denn wer wird sich nach einer möglichen Abwahl des Mannes noch für den Film interessieren? (wga)