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Politik

Protest wegen Sextäter-Gesetz in der Türkei

19. November 2016

Oppositionelle, Menschenrechtler und die UN kritisieren einen Gesetzentwurf, der Straferlass nach sexueller Gewalt gegen Minderjährige vorsieht. Die islamisch-konservativen Regierung in Ankara verteidigt ihr Vorhaben.

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Protest in Ankara gegen Straferlass für Sexualstraftäter November 19 2016 Ankara Turkey
In Ankara und andernorts in der Türkei gingen Menschen gegen das geplante neue Gesetz auf die StraßeBild: Imago/ZUMA Press

Der Gesetzentwurf bedeute "eine Art Amnestie" für jene, die sich des Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht haben, sagte der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, Christophe Boulierac, in Genf. "Diese schändlichen Formen der Gewalt gegen Kinder sind Verbrechen, die als solche und in jedem Fall bestraft werden sollten", fügte er hinzu.

Das türkische Parlament hatte vor wenigen Tagen einen Gesetzentwurf gebilligt, wonach die Verurteilung wegen sexueller Übergriffe gegen Minderjährige aufgehoben werden kann, wenn der Täter sein Opfer heiratet. Die Bedingung dafür lautet, dass der Beischlaf ohne "Gewalt, Drohung oder jegliche andere Form von Zwang" erfolgt sein muss.

Zweite Lesung im Parlament nötig

Damit das Gesetz in Kraft treten kann, müssen die Abgeordneten der Vorlage in den kommenden Tagen noch in zweiter Lesung zustimmen. Das geplante Gesetz soll einmalig und rückwirkend für Taten gelten, die vor dem 11. November 2016 verübt wurden.

Nach massiver Kritik der Opposition und von Amnesty International hatte Justizminister Bekir Bozdag der Opposition "absichtliche Verdrehung" der Tatsachen vorgeworfen. Bei den Tätern handele es sich nicht um Vergewaltiger, und bei dem Gesetz gehe es vielmehr um den "Schutz von Kindern". Rechtliche Probleme bei Kinderehen - die leider eine "Realität" in der Türkei seien - sollten damit gelöst werden.

3000 Männer sollen betroffen sein

Weiter führte der Minister aus: Wenn aus Ehen mit Minderjährigen ein Kind hervorgehe, informiere der Arzt den Staatsanwalt. Der Ehemann lande im Gefängnis und seine Familie gerate in Schwierigkeiten. Derzeit gebe es etwa 3000 solche Familien in der Türkei.

Frauenrechtler kritisierten, der Entwurf sei in sich widersprüchlich und bedeute praktisch eine Anmestie für Straftäter. Das Mindestalter für legales Heiraten liegt in der Türkei bei 17 Jahren - mit Zustimmung der Eltern. Besonders im Osten des Landes wird dieses Alter bei Mädchen noch immer häufig unterschritten. In einigen besonderen Ausnahmefällen dürfen Mädchen mit richterlicher Genehmigung auch mit 16 Jahren heiraten.

Im Juli hatte das türkische Verfassungsgericht nach einer Petition eines untergeordneten Gerichts ein Gesetz aufgehoben, das sexuelle Handlungen mit Kindern unter 15 Jahren als "sexuellen Missbrauch" wertet. Das Gericht wies das Parlament an, binnen sechs Monaten ein neues Gesetz auszuarbeiten. Es monierte insbesondere, dass in dem bisherigen Gesetz nicht zwischen Jugendlichen und Kleinkindern unterschieden wurde.

uh/se (afp, dpa)