1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Protest gegen AfD-Aufmarsch in Kandel

24. März 2018

Ein Ort in Rheinland-Pfalz wurde zur Pilgerstätte für Rechte aus ganz Deutschland - nach einer tödlichen Messerattacke im Dezember. Wieder gehen sie dort auf die Straße. Aber noch mehr Gegendemonstranten kommen.

https://p.dw.com/p/2uv0e
Deutschland 1.200 Menschen demonstrieren in Kandel gegen AfD-Aufmarsch Demonstrationen in Kandel
Für ein liberales und gewaltfreies Miteinander: "Wir sind Kandel"Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Kaum jemand wüsste, wo Kandel liegt, irgendwo in der Südpfalz, zwischen Hatzenbühl und Minfeld. Doch jetzt ist der Ort - ungefähr auf der Höhe von Karlsruhe, nur auf der anderen Rheinseite - schon seit Monaten in den Schlagzeilen. Weil ein Verbrechen geschah, eine Beziehungstat - und weil der mutmaßliche Täter diesmal ein afghanischer Flüchtling ist. Er soll kurz vor dem Jahreswechsel seine 15-jährige Ex-Freundin erstochen haben.

Rechtsextreme und Rechtspopulisten aus ganz Deutschland kommen seither immer wieder in die 8500-Einwohner-Gemeinde. Ihr Kampfruf lautet: "Kandel ist überall." Unter diesem Motto demonstrieren auch an diesem Samstag Hunderte Menschen, die verlangen, sofort die Grenzen zu schließen und illegal in Deutschland lebende Ausländer abzuschieben. Anfang März waren es über 4000 Teilnehmer, diesmal zählt die Polizei rund ein Viertel.

Hasskommentare im Netz

Der Bürgermeister des Ortes, der einen Flüchtlingstreff aufgebaut hatte, wurde ebenso mit Hasskommentaren in sozialen Netzwerken überschüttet wie der Pfarrer, der Mitorganisator eines Gegenbündnisses ist: "Wir sind Kandel!" Die Initiative wurde als Reaktion auf die rechten Aufmärsche gegründet, als Bündnis aus Politik, Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden - und als Antwort auf Versuche, die Gemeinde und ihren Namen zu vereinnahmen, ohne dass die Bürger zugestimmt hätten.

Deutschland 1.200 Menschen demonstrieren in Kandel gegen AfD-Aufmarsch Demonstrationen in Kandel
"Wir sind mehr": Malu Dreyer in KandelBild: picture-alliance/dpa/U. Deck

"Die sind laut, aber wir sind mehr", ruft die rheinland-pfälzische Ministerpräsidenten Malu Dreyer (SPD) den Gegendemonstranten zu. Mit etwa 1200 Menschen ist der Protestzug gegen den Protest zahlenmäßig den Teilnehmern der AfD-Kundgebung überlegen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Gebhardt sagt, seit Wochen müsse man erleben, wie das Verbrechen vom Dezember von rechtsradikalen Kräften aus ganz Deutschland für deren Zwecke missbraucht werde. "Das ist unerträglich für diese Stadt, unerträglich für die ganze Region."

"Wegschauen wäre ein Fehler"

Dreyer bekräftigt, sie stehe mit der Landesregierung an der Seite der Bürger, "die für ein weltoffenes, liberales und gewaltfreies Miteinander eintreten". Die Reaktion auf die "schreckliche Gewalttat" dürfe nicht Fremdenfeindlichkeit und Hass sein. Und Kandel dürfe nicht zu einem Ort der demokratiefeindlichen Propaganda gemacht werden.

Deutschland Demonstrationen der rechtspopulistischen Initiative «Kandel ist überall»
"Sofort Grenzen schließen": Der Demonstrationszug der Initiative "Kandel ist überall"Bild: picture alliance/dpa/U. Deck

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte vor der Kundgebung die AfD vor einem Schulterschluss mit Rechtsextremen gewarnt. Und er wies die Kritik zurück, große Gegenkundgebungen verschafften rechten Aufmärschen erst eine übermäßige Aufmerksamkeit. "Wegschauen wäre ein großer Fehler", sagte Lewentz dem Südwestrundfunk. "Man kann nicht so tun, als gäbe es diese Herausforderung nicht."

jj/kle (dpa, afp, epd)