Promis im Wahlkampf
9. August 2012Fast alle führenden ukrainischen Parteien setzen für die Parlamentswahl am 28. Oktober 2012 auf Stars aus Sport und Unterhaltung. Die größte Überraschung ist der bekannte Fußballer Andrej Schewtschenko (Bild oben). Auf der Liste der Partei "Ukraine - Vorwärts!" steht er auf Platz zwei, gleich nach der Parteichefin Natalia Korolewska. Er wolle nach Beendigung seiner Sportkarriere seinem Land mit der Erfahrung dienen, die er in Europa habe sammeln können, betont der 35-Jährige. Seine oppositionelle Bewegung sei eine Partei der Zukunft. Schewtschenko will sich als Politiker vor allem beim Thema Sport und im sozialen Bereich engagieren.
Klitschko - alles andere als ein Statist
Ein weiterer international bekannter Sportler, der Boxweltmeister Vitali Klitschko, geht sogar als Spitzenkandidat der von ihm gegründeten Oppositionspartei "Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen" (UDAR) in die Parlamentswahl. Der 41-Jährige kündigte der regierenden "Partei der Regionen" von Präsident Viktor Janukowitsch einen "harten, aber fairen" Wahlkampf an.
Promis auf den Listen der Parteien seien meist nur Statisten im Wahlkampf, sagte der ukrainische Politikexperte Oleksij Haran der DW. Es gebe aber Ausnahmen wie Vitali Klitschko. "Er führt nämlich selbst eine Partei an und versucht, die Rolle des Sportlers und Politikers miteinander zu verbinden", so Haran. Im Gegensatz zu Klitschko spiele beispielsweise Schewtschenko innerhalb der Partei "Ukraine - Vorwärts!" trotz seines prominenten Listenplatzes nur eine untergeordnete Rolle.
Regierungspartei setzt auf Popsängerin
Bei den vorangegangenen Parlamentswahlen im Jahr 2007 hatte die damalige Regierungspartei "Unsere Ukraine" von Präsident Viktor Juschtschenko mit Ruslana, der Siegerin des Eurovision Song Contest 2004, erfolgreich Wahlkampf gemacht. Aber diesmal setzen die Parteien der damaligen "orangenen Revolution" nicht auf Stars. Das gilt auch für das Bündnis "Vereinigte Opposition". Ihm gehören die Partei der inhaftierten ehemaligen Premierministerin Julia Timoschenko "Vaterland", die Partei von Ex-Außenministers Arsenij Jazenjuk, "Front der Veränderungen", sowie mehrere kleinere Parteien an.
Im Gegensatz dazu setzt die regierende "Partei der Regionen" auf die in der Ukraine sehr bekannte Popsängerin Taisia Powalij. Sie bekam Platz zwei auf der Parteiliste. Die Regierungspartei habe nach dem "klassischen Wahlkampf-Klischee" gehandelt. Danach müsse unter den ersten fünf auf der Liste unbedingt eine Frau stehen, sagte der Leiter des Kiewer Zentrums für politische Studien "Penta", Wolodymyr Fesenko der DW. "Man wolle so auch die starre Riege der führenden Regierungs- und Fraktionsmitglieder auflockern", so der ukrainische Experte.
Schewtschenko könnte Fans mobilisieren
Den "Wahlkampf-Trick" mit prominenten Sportlern oder Sängern habe man bei russischen Politstrategen abgeguckt. "Aber diese Masche funktioniert in der Ukraine nicht", glaubt Fesenko. Eine Ausnahme sei möglicherweise Schewtschenko. Ihm könnte es gelingen, nach der Fußball-EM Menschen für die Parlamentswahl Ende Oktober zu mobilisieren.
Denn Schewtschenko ist den Ukrainern noch frisch im Gedächtnis: Er erzielte bei der Fußball-Europameisterschaft im Juni dieses Jahres beim Spiel gegen Schweden im Kiewer Olympiastadion zwei Tore. Er sicherte so den einzigen Sieg seiner Mannschaft bei dem Turnier. Allerdings werde Schewtschenko wohl nur solche Fans für "Ukraine - Vorwärts!" gewinnen können, die sich noch nicht endgültig für eine Partei entschieden hätten, meint der Experte.
Große Unzufriedenheit mit der Politik
Dass die Parteien auch in diesen Wahlkampf wieder Prominente einspannen, zeigt nach Ansicht von Wolodymyr Fesenko, dass den ukrainischen Politstrategen inhaltlich nichts Neues einfalle. Die meisten Ukrainer seien von Politikern aller Couleur enttäuscht. Deshalb sollten nun Prominente für Zulauf sorgen.
Meinungsumfragen der DW, die in den vergangenen Jahren in der Ukraine durchgeführt wurden, bestätigen immer wieder, dass die Menschen mit den Politikern ihres Landes zunehmend unzufrieden sind. Insgesamt nimmt unter den Ukrainern das Desinteresse an der Politik zu. So schloss im März laut DW-Trend fast jeder vierte Ukrainer (24 Prozent) aus, sich an der Parlamentswahl im Oktober zu beteiligen.