Problem des Menschenhandels in Südosteuropa wächst
18. Juli 2002Köln, 16.7.2002, DW-radio, Stephanos Georgakopoulos
Das wachsende Problem des Menschenhandels in Südosteuropa ist Gegenstand eines Berichts der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen, der erst kürzlich in Belgrad veröffentlicht wurde. Der 270-seitige Bericht beleuchtet die Situation in acht Ländern: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Mazedonien, Moldova, Jugoslawien, Kroatien und Rumänien.
Das Problem beginnt bereits bei den Zahlen. Die Zahl der Menschen, die in Europa Opfer von Menschenhändlern werden, lässt sich nur schätzen. Nach Angaben der Vereinten Nationen liegt sie bei 500.000 bis 700.000 Menschen. Es sind vor allem Frauen und Mädchen, die die kriminellen Schlepperbanden im Visier haben. Und das Problem wächst, denn das Geschäft mit den zur Prostitution genötigten Frauen und Mädchen aus Ost- und Südosteuropa blüht. Bärbel Uhl, Mitarbeiterin der OSZE-Mission in Belgrad und Koautorin des Berichts, weist darauf hin, dass nur wenige der Betroffenen Hilfe durch die bestehenden Opferschutzprogramme erhielten:
"Der UN-Bericht ist eine gemeinsame Studie des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF), des Hochkommissariates für Menschenrechte der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie widmet sich der gesamten Region und untersucht vor allem die Opferschutzprogramme in den verschiedenen Ländern des Balkans. Eines der Hauptresultate der Studie ist, dass nur 35 Prozent aller Opfer von Menschenhandel als solche identifiziert werden, eine wohlgemerkt sehr optimistische Schätzung. Denn zwei Drittel der betroffenen Menschen in Südosteuropa werden nicht identifiziert, haben also demzufolge keinen Zugang zu den Opferschutzprogrammen"
Serbien ist seit Jahren zentraler Transitweg der Kriminellen nach Westeuropa. Bärbel Uhl sieht durchaus positive Ansätze, die inzwischen von der Regierung in Belgrad ergriffen werden, um dem Problem des Menschenhandels zu begegnen.
"Die serbische Regierung und auch die jugoslawische Regierung, sowohl auf föderativer als auch auf Republikebene, sind sehr engagiert im Kampf gegen den Menschenhandel. Zur Zeit wird vom föderativen Parlament ein neues Strafrecht zum Menschenhandel verabschiedet. Die föderative und die Republikebene haben jeweils einen permanenten Runden Tisch eingerichtet, der sich ausschließlich der Bekämpfung von Menschenhandel widmet. An diesen Tischen sitzen auch Vertreter der Zivilgesellschaft, also Nichtregierungsorganisationen (NGOs), internationale Organisationen und die relevanten Repräsentanten aus den verschiedenen Ministerien"
Im Kampf gegen den Menschenhandel arbeiten OSZE und Vereinte Nationen mit der zuständigen Task Force des Südosteuropa-Stabilitätspakts zusammen. Bärbel Uhl lobt diese Kooperation.
"In den letzten zwei Jahren, in denen die Task Force des Stabilitätspaktes in der Region auch aktiv geworden ist, haben alle Länder Ex-Jugoslawiens und auch die angrenzenden Balkanländer einen Aktionsplan verabschiedet und nationale Koordinatoren berufen. Das ist natürlich zunächst nur ein Setzen von Mechanismen. Innerhalb dieser Mechanismen werden aber schon konkrete Maßnahmen getroffen. In Serbien z.B. wurde im letzten Jahr mit Hilfe der OSZE ein nationaler runder Tisch gegründet. Seit dieser Zeit haben wir in enger Kooperation mit der Regierung, mit internationalen Organisationen und auch mit NGOs eine Notwohneinrichtung für gehandelte Frauen in Belgrad eingerichtet. Es gibt jetzt eine Informationskampagne (Aware Raising Campaign), die präventiv tätig ist, um Risikogruppen zu erreichen. Außerdem bietet die OSZE spezielle Trainings für Polizei bzw. Justizbehörden an".
Die Studie der UN und OSZE unterbreitet eine Reihe von Vorschlägen für eine effektivere Bekämpfung des Menschenhandels. An die Regierungen richtet sie den Appell, die Opfer nicht als Kriminelle zu behandeln, sondern sie vielmehr zu betreuen. Dazu Bärbel Uhl:
"Die Studie äußert mehrere Empfehlungen. Sie empfiehlt z.B., dass es ein standardisiertes Verfahren geben muss zur Identifizierung von Opfern von Menschenhandel. Das bedeutet vor allen Dingen, dass Polizei, Botschaften und alle anderen Behörden, die direkt mit Opfern von Menschenhandel in Kontakt kommen, trainiert werden sollen, um das standardisierte Identifizierungsverfahren anwenden zu können. Eine weitere Empfehlung ist, dass Opfer einen Aufenthaltsstatus bekommen sollen, um sich ihrer Situation bewusst zu werden und um auch weitere Entscheidungen zu treffen. Es sollten mehrere Notunterkünfte geschaffen werden auch für jene Opfer, die nicht unmittelbar wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren möchten. Die UN-Studie offenbart des weiteren auch den Mangel an spezialisiertem Zeugenschutz und auch an spezialisierten Einrichtungen für minderjährige Opfer des Menschenhandels in der Region". (fp)