1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Montag, 20. November 2006

Gerd Winkelmann19. November 2006

Volkstrauertag und Afghanistan // CDU-Gegenwind für Rüttgers

https://p.dw.com/p/9PVf

Bundespräsident Horst Köhler erinnerte am Volkstrauertag im Bundestag auch an die im Ausland getöteten Bundeswehrsoldaten. Kanzlerin Merkel nannte deren Einsatz ein Vermächtnis der Millionen von Kriegstoten in der Vergangenheit. Gleichzeitig wehrt sich die Regierung gegen starken internationalen Druck, ihre Soldaten bald auch in Afghanistans umkämpften Süden zu schicken. Die Kommentare der Tagespresse stärken ihr dabei an diesem Montag den Rücken:

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf schreibt etwa:

'Wird das Leben deutscher Soldaten aufs Spiel gesetzt, muss Berlin hartnäckiger als bisher darauf pochen, dass der Gesamtrahmen der Konfliktbewältigung stimmt. Im Krisenbogen von Palästina über den Irak bis Afghanistan tritt der größte westliche Partner, die USA, Israel gegenüber zu passiv, in Irak und Afghanistan dagegen eindimensional martialisch auf. Ließen wir uns darauf ein, nur militärische Lückenbüßer ohne politischen Einfluss zu sein, würden wir außenpolitisches Kapital verspielen.'

Die ABENDZEITUNG aus München analysiert:

'Natürlich lässt sich die Wut der Isaf-Soldaten im Süden darüber verstehen, dass es im Kommandogebiet Deutschlands vergleichsweise ruhig zugeht. Die Vorwürfe gegen die Bundeswehr sind trotzdem ungerechtfertigt. Die Bundeswehr hat - trotz Totenschädel-Fotos - in Afghanistan immer noch einen guten Ruf. Die Soldaten leisten Aufbauhilfe, stärken die lokale Wirtschaft, sorgen für ein kooperatives Klima in der Bevölkerung. Die hat deshalb kein Interesse daran, Terroristen Rückhalt zu bieten. Die Strategie der USA und Großbritanniens beschränkt sich dagegen auf Bombardements.'

Im Kommentar der Bielefelder NEUEN WESTFÄLISCHEN lesen wir:

'Eine Woche vor dem NATO-Gipfel fordern Amerikaner und Briten, auch deutsche Kampftruppen sollen in den Süden Afghanistans. Das Thema wird zum Testfall stilisiert, bei dem es letztlich um die Bündnis- Solidarität der Deutschen geht. Ein durchsichtiges Manöver. Bisher haben deutschen Soldaten im Norden des Landes die Lage mit diplomatischen Geschick stabil gehalten. Die Truppe hält die Lage militärisch unter Kontrolle und widmet sich gleichzeitig zivilen Projekten. Dies darf nicht leichtfertig aufgegeben werden.'

Zu guter Letzt noch ein Blick in die MÄRKISCHE ODERZEITUNG:

'Soweit es in Deutschland um das Gedenken an die gefallenen deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs geht, hatte der Volkstrauertag in den vergangenen Jahrzehnten hierzulande einen schweren Stand. Es gibt aber Anzeichen, dass sich die deutschen Verkrampfungen zu den eigenen Toten lösen. Dafür mag auch die aktuelle Politik Anlässe bieten, die Bundeswehrsoldaten heute zu Kampfplätzen in Afghanistan, Afrika oder sonst wo hinschickt. Die Verantwortlichen müssen sich Gedanken machen, wenn deutsche Soldaten heute «im Feld gefallen» sind.'

Themenwechsel: Eine Woche vor dem CDU-Parteitag in Dresden gerät Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik. Weitere führende CDU-Politiker gingen am Wochenende auf Distanz zu den Vorschlägen des Düsseldorfer Regierungschefs, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I stärker an die Länge der Einzahlungen zu koppeln.

Der Kommentator der FRANKFURTER RUNDSCHAU zeigt sich an diesem Montag überzeugt:

'Auf dem Parteitag der CDU wird Jürgen Rüttgers in der kommenden Woche chancenlos sein. Sein Vorstoß, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für jene Menschen zu verlängern, die viele Jahre lang in die Sozialkasse eingezahlt haben, wird in der Partei fast einhellig abgelehnt. Aber sein politisches Kalkül ist damit nicht gescheitert. Der Gegenwind, den er aus dem Kreis seiner MinisterpräsidentenKollegen und von Seiten des Wirtschaftsflügels bekommt, wird ihm in Nordrhein-Westfalen nur nützen. Im Stammland der SPD will man sozialdemokratisch regiert werden, und sei es von einem Christdemokraten. Kein wirkliches Problem für Rüttgers also, aber eines für die Kanzlerin und Parteichefin.'

In der WESTDEUTSCHEN ALLGEMEINEN ZEITUNG lesen wir zum Thema:

'Nun widerspricht ihm sogar der Bundespräsident. Zuvor hatte er schon Zweidrittel des CDU- wie des SPD-Establishments gegen sich aufgebracht, dabei aber Dreiviertel des Volkes auf seine Seite gezogen. Wer hätte einem Pulheimer von rheinischem Gemüt schon so viel Konfliktpotenzial zugetraut? Wenn der Satz: viel Feind, viel Ehr, stimmt, dann hat Jürgen Rüttgers es in puncto Ehre weit gebracht.'

Hier ein Blick in die ESSLINGER ZEITUNG:

'In der Arbeit der schwarz-roten Bundesregierung ist von den ehrgeizigen Leipziger Zielen nicht mehr viel wiederzuerkennen. Der von NRW-Ministerpräsident Rüttgers angestoßene Streit um die Gestaltung des Arbeitslosengeldes I ist beispielhaft für die Zerrissenheit der Partei. Wie viel Freiheit und Eigenverantwortung darf es sein? Wie sozial sollte der Sozialstaat sein? Der CDU steht auf ihrem Parteitag eine spannende Debatte bevor.'

Beifall erhält Rüttgers vom EXPRESS aus Köln:

'Jürgen Rüttgers, der unbeugsame Hartz-IV-Rebell, lehrt Union und SPD das Fürchten. Ist er plötzlich über Nacht ein Linker geworden, der politisch Amok läuft und aus Christdemokraten schwarze Genossen machen will? Wohl kaum. Sein Verdienst ist es, eine Debatte über eine Reform neu entfacht zu haben, die keine ist. Während andere meist unverbindlich über mehr Gerechtigkeit schwadronieren, wird er konkret. Hartz IV ist in der Tat für viele Arbeitslose eine Zumutung. Dass hier vernünftige Korrekturen notwendig sind, liegt auf der Hand. So falsch kann Rüttgers mit seinen Einschätzungen zudem nicht liegen. In NRW sonnt sich die CDU in glänzenden Umfrageergebnissen. Die Union hingegen vegetiert im Bund ebenso wie die SPD bei 29 Prozent dahin.'