Weltpremiere für neuen Film von Oleg Senzow
19. Februar 2020Er selbst war bei der Produktion nicht dabei. Zu dem Zeitpunkt saß der ukrainische Regisseur Oleg Senzow noch in Russland im Gefängnis. Freunde von ihm hätten die Idee gehabt, aus einem Theaterstück von ihm einen Film zu machen, erzählt Senzow im Interview: "Gemeinsam mit dem Produzenten begannen wir mit den Vorbereitungen - in der Hoffnung, dass ich freigelassen würde, um bei dem Film Regie zu führen. Weil ich aber nicht freigelassen wurde, beauftragte ich Akhtem Seitablayev, der auch von der Krim stammt. Wir stellten die gesamte Crew und das Set zusammen, aber der Dreh fand natürlich ohne mich statt."
Kommuniziert wurde über Emails. Das Filmteam schickte ihm Bilder, Briefe und Ideen ins Gefängnis, und so wurde der Film gemeinsam über Distanz entwickelt. Kurz vor Beginn der diesjährigen Berlinale hatte "Numbers" nun Weltpremiere im Maxim Gorki Theater in Berlin.
Parabel über geschlossene Gesellschaftssysteme
Der Kinofilm erzählt von einer Gruppe Menschen, die in einem totalitären System leben. Die Figuren tragen keine Namen, sondern nur Nummern. Sie leben nach strengen Regeln: Gegessen wird nur, während alle um eine Tischtennisplatte herumrennen. Nachts werden Männer und Frauen getrennt.
Bezüge zur strengen Tagesordnung in einem sibirischen Straflager oder russischen Gefängnissen sind in der Filmgeschichte unverkennbar. Über allem wacht Gott gleich eine Figur Null. Aber mit der Zeit beginnen einige Personen zu rebellieren.
Eine Gesellschaftsparabel, die überall auf der Welt spielen könnte, sagt Senzow. "In dem Stück geht es nicht nur um Russland. Das ist nicht das einzige totalitäre Land auf der Welt. Ich denke, es ist ein universelles Stück. Es geht um das universelle Thema einer in sich geschlossenen Gesellschaft. Das könnte jede Gesellschaft sein."
Einsatz für die Menschenrechte
Geschrieben habe er das Stück schon vor zehn Jahren, angeregt durch eine Sportveranstaltung im Fernsehen. "Meine Ex-Frau schaute immer gerne Biathlon und manchmal schaute ich mit. Mir kam die Idee, das Stück in dieser Biathlon-Umgebung spielen zu lassen. Weil das aber komplett absurd ist, dauerte es Jahre, bis ich mit dem Schreiben begann. Aber die Idee verließ mich nicht, und so dauerte das tatsächliche Schreiben dann nur wenige Tage."
Der Film sei in der jetzigen Fassung mehr als Parodie auf die heutige Gesellschaft gedacht, sagte der ukrainische Regisseur bei der Premiere im Maxim Gorki Theater. 2015 war er in einem umstrittenen Prozess in Russland zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden - wegen angeblich geplanter Terroranschläge. Weltweit hatten sich Künstler, Regisseure, Politiker und Filmemacher für seine Freilassung eingesetzt. Im September 2019 kam Senzow dann überraschend frei - bei einem Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine.
Film läuft in der Reihe "Berlinale Special"
Bei den Internationalen Filmfestspielen von Berlin, die am Donnerstag (20.2.2020) offiziell eröffnet werden, läuft "Numbers" in der Reihe "Berlinale Special". Reaktionen auf den Film - auch von russischer Seite - werden mit Spannung erwartet.
Für Oleg Senzow eine gute Gelegenheit mit internationalen Filmemachern und auch dem Publikum auf der Berlinale ins Gespräch zu kommen. Den Mund lässt er sich nicht mehr verbieten - von niemandem, sagt er. "Wenn ich Politiker in Europa treffe, spreche ich mit ihnen natürlich über die ukrainischen Gefangenen, aber ich unterstütze auch russische Gefangene. Denn es gibt diese Person namens Putin und ich unterstütze jeden, der sich gegen ihn stellt. Ich weiß, in welcher Situation sich diese Gefangenen befinden."