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Prager Frühling 2009?

Das Interview führte Christian Trippe17. Dezember 2008

Es wird ein Prager Frühling 2009: Tschechien übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft. Wie bereitet sich das Land darauf vor? Der tschechische Außenminister Karl Schwarzenberg im Interview mit DW-WORLD.DE.

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Blick auf die tchechische Hauptstadt Prag
Aus Prag wird im ersten Halbjahr 2009 die Politik der Europäischen Union gelenktBild: Illuscope

DW-WORLD.DE: In wenigen Tagen übernimmt Tschechien die Präsidentschaft in der Europäischen Union. Herr Außenminister, welche Ziele haben Sie sich für diese sechs Monate gesteckt?

Karl Schwarzenberg: Unsere Ziele sind erstens unsere östliche Nachbarschaft zu fördern, zweitens den Integrationsprozess des Westbalkans voranzutreiben und drittens ein Europa ohne Barrieren zu schaffen, ein liberaleres Europa, das sich nicht abschließt, sondern sich allen Herausforderungen stellt. Mittlerweile hat sich aber gezeigt, dass unsere Präsidentschaft auch von anderen Dingen bestimmt wird. Die wirtschaftliche Krise ist 2009 nicht mehr am Horizont, sondern trifft voll in Europa ein. Ich fürchte, der Umgang mit der Krise wird einen wesentlichen Teil der Präsidentschaft einnehmen. Und es gibt etliche drohende außenpolitische Probleme. Man kann sich am Anfang der Präsidentschaft immer sehr viel vornehmen, das Leben diktiert Anderes. Die französische Präsidentschaft hat am Anfang sicher auch nicht gedacht, dass sie sich mit Kaukasuskonflikt und Wirtschaftskrise auseinandersetzen muss.

Tschechiens Außenminister Karl Schwarzenberg (Foto: dpa)
Tschechiens Außenminister Karl Schwarzenberg in seinem Prager BüroBild: picture-alliance/ dpa

Ein weiteres Thema wird wohl auch die Zukunft des EU-Reformvertrags von Lissabon sein. Schließlich ist Tschechien eines von zwei Ländern, das dem Vertrag noch nicht zugestimmt hat …

Das ist leider Gottes richtig. Durch das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und die Streitereien im Parlament hat sich das alles verzögert. Ich gehe aber davon aus, dass Tschechien innerhalb der nächsten sechs Wochen dem Vertrag zustimmen wird.

Aber selbst der tschechische Präsident Vaclav Klaus ist ein ganz entschiedener Gegner dieses Reformvertrages. Er sagte, die EU-Präsidentschaft sei eine völlig unwichtige Sache. Wie arbeiten Sie mit einem Präsidenten zusammen, der derart verächtlich der Europäischen Union gegenübersteht?

Der Präsident weiß, dass wir sehr verschiedene Ansichten haben - und ich weiß es auch. Wir hatten jetzt fast zwei Jahre Zeit, um uns an diesen Zustand zu gewöhnen. Und eines steht fest: Die Außenpolitik wird von der Regierung bestimmt, nicht vom Präsidenten. Aber es gibt im Leben leider einige Dinge, die man sich nicht aussuchen kann: das Wetter, die Verwandtschaft - und Staatsoberhäupter. Damit muss man leben.

In Frankreich ist öffentlich angezweifelt worden, dass Tschechien überhaupt in der Lage ist, die Europäische Union in dieser krisenhaften Zeit zu führen. Hat Sie das verletzt?

So leicht kann man mich nicht verletzen. Mit diesen Befürchtungen hatten bisher schon viele kleinere EU-Länder zu kämpfen. Das gehört halt zum politischen Vorgeplänkel bei einer EU-Ratspräsidentschaft dazu. Ich nehme das nicht allzu ernst.

Sie selbst haben den französischen Präsidenten Sarkozy einmal voller Bewunderung "den Geist der Unruhe in der Politik" genannt. Wie zufrieden sind Sie denn mit der Unruhe, die Frankreich sechs Monate lang in die EU gebracht hat?

Wir sollten der französischen Präsidentschaft sehr dankbar sein. Zwar gibt es einzelne Schritte und Äußerungen, von denen ich nicht begeistert war. Aber das energische Eingreifen Sarkozys bei der Kaukasuskrise und sein Bemühen in der Wirtschaftskrise waren sehr positiv. Jetzt müssen wir sehen, ob die Maßnahmen richtig waren. Aber auf jeden Fall war Frankreich eine Präsidentschaft, die gehandelt hat.

Jetzt erben Sie mit der Führung der EU auch das Problem der Weltwirtschaftskrise. Wie sind da Ihre Erwartungen? Wie schlimm wird diese Krise noch?

Wir müssen die Wirtschaftkrise sehr, sehr ernst nehmen. Das bedeutet aber nicht, dass wir in eine Panik verfallen sollten. Wir dürfen bewährte Regeln der Volkswirtschaft oder Finanzwirtschaft nicht einfach in Panik über Bord werfen. Notmaßnahmen sind manchmal zwingend notwendig. Wenn ich mir heute ein Bein breche, muss ich auch akzeptieren, dass ich für einige Zeit einen Gipsverband tragen muss. Wenn man aber einen solchen Gips zu lange trägt, erschlaffen die Muskeln. Alle Notmaßnahmen und Regulierungen müssen deswegen zeitlich begrenzt sein.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist Ihnen das Verhältnis zu den Nachbarn in Osteuropa, sagten Sie eben. Welche Rolle spielt Russland in diesem Konzept? Ist Moskau bloß ein strategischer Energielieferant oder ein gleichwertiger politischer Partner?

Ein partnerschaftliches Verhältnis ist nicht einfach. Nach den jüngsten Entwicklungen befürchten wir dort die Rückkehr zu einem autoritären System, und auch einige revisionistische Äußerungen beunruhigen uns. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Russland nicht nur als Energielieferant, sondern auch in der Sicherheitsdiskussion und anderen weltpolitischen Fragen ein notweniger Partner ist, mit dem wir einen Dialog suchen sollten.