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Präsident von Guinea-Bissau gestorben

9. Januar 2012

Der Präsident des westafrikanischen Landes Guinea-Bissau, Malam Bacai Sanhá, ist am Montag in Paris gestorben. Der 64-Jährige war 2009 angetreten, Stabilität ins Land zu bringen. Droht nun eine weitere Destabilisierung?

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Malam Bacai Sanhá bei einem seiner letzten großen internationalen Auftritte, im September 2010 auf der UN-Generalversammlung in New York (Foto: picture alliance)
Sanhá bei einem seiner letzten großen internationalen Auftritte im September 2010 auf der UN-Generalversammlung in New YorkBild: picture alliance/Photoshot

Das westafrikanische Guinea-Bissau gilt als Land, in dem das Militär das Sagen hat. Großer Einfluss wird auch der südamerikanischen Drogenmafia zuschrieben, die Guinea-Bissau als Zwischenstation für den Transport von Kokain nach Europa verwendet. Und so war das Land in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz von Putschversuchen, Staatsstreichen und Attentaten.

Der kranke Präsident

Malam Bacai Sanhá, der am Montag (09.01.2012) gestorben ist, wird in die Geschichtsbücher Guinea-Bissaus eingehen als der Präsident, der aufgrund seiner Krankheit einen Großteil seiner Amtszeit außer Landes verbracht, aber auch als der Präsident, der versucht hat, Guinea-Bissau von Korruption, Missmanagement und dem Joch des Militärs zu befreien. Sein Motto war Dialog als Konfliktlösung: "Wenn wir den Frieden bewahren wollen, können wir nicht mit Gewalt die Probleme in den Streitkräften lösen." Er appellierte für friedliche Konfliktlösungen: "Wir müssen die Streitkräfte an der Lösung unserer und ihrer eigenen Probleme beteiligen."

Malam Bacai Sanhá bei einem Wahlkampfauftritt 2009 (Foto: dpa)
Malam Bacai Sanhá bei einem Wahlkampfauftritt 2009Bild: DPA

Schon als Teenager im Unabhängigkeitskampf aktiv

Malam Bacai Sanhá wurde am 5. Mai 1947 in Quinará im Südwesten des Landes geboren und gehörte zur kleinen muslimischen Ethnie der Beafada. Schon als Teenager, im Jahr 1962, trat er der von Amílcar Cabral geleiteten Afrikanischen Partei für die Unabhängigkeit von Guinea-Bissau und Kap Verde (PAIGC) bei. Seit 1959 führte die PAIGC den bewaffneten Kampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft an.

Studium in der DDR

Aufgrund seiner Widerstands-Aktivitäten war er gezwungen, in den Untergrund zu gehen. Wie viele andere Mitglieder des PAIGC ging auch Sanhá in den Ostblock. Er studierte in Ost-Berlin Politikwissenschaften an der Parteihochschule Karl Marx.

Kurz nach der Unabhängigkeit von Guinea-Bissau, die am 10. September 1974 von Portugal offiziell anerkannt wurde, begann Malam Bacai Sanhá seine Karriere als hoher Staatsbeamter. Er wurde Verwaltungschef der Küstenregion Biombo und später Gouverneur der Region Gabu. In mehreren Ressorts war Sanhá auch Minister unter Präsident Nino Vieira.

Mit dem Ende des "Kalten Krieges" und unter Druck der westlichen Geber-Länder entwickelt sich auch in Guinea-Bissau das politische System von einem Einheitsparteien-Staat zur Mehrparteiendemokratie. Nachdem das Land in den ersten demokratischen Wahlen in Guinea-Bissau im Jahr 1994 João Bernardo "Nino" Vieira als Präsident bestätigt hatte und dem PAIGC eine absolute Mehrheit gegeben hatte, wurde Malam Bacai Sanhá von 1994 bis 1999 zum Parlamentspräsident von Guinea-Bissau gewählt.

Drei Anläufe bis zur Präsidentschaft

Malam Bacai Sanhá im Juni 2009 (Foto: DW)
Malam Bacai Sanhá im Juni 2009 - immer wieder musste er während seiner Amtszeit im Ausland medizinisch behandelt werdenBild: DW

Nach einem militärischen Putschversuch in Juni 1998 unter Führung des zuvor entlassenen Armeechefs Ansumane Mané kam es zu einem Bürgerkrieg. Während dieser Periode übernahm Sanhá als Parlamentspräsident interimistisch das Amt des Präsidenten vom abgesetzten Nino Vieira.

Im Januar 2000 trat er zum ersten Mal als Kandidat bei Präsidentschaftswahlen an, verlor aber gegen Kumba Yalá. Dessen Amtszeit gilt als eine der chaotischsten der Geschichte des Landes und endete in einem unblutigen Putsch.

2005 kandidierte Sanhá erneut, diesmal musste er sich in der zweiten Runde Ex-Präsidenten Nino Vieira geschlagen geben. Ab 2009 stürzte Guinea-Bissau erneut ins Chaos, nachdem sowohl Präsident Nino Vieira als auch der Generalstabschef der Armee, Batista Tagmé Na Waié, innerhalb weniger Stunden ermordet wurden. Bis heute ist ungeklärt, wer hinter den Verbrechen steckte.

Bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen gewann diesmal im dritten Anlauf Malam Bacai Sanhá. In der zweiten Runde erhielt er mehr als sechzig Prozent der Stimmen.

Er wünschte sich ein Klima der Zusammenarbeit, erntete aber Putsche und Chaos

Soldaten beerdigen den bei einem Anschlag getöteten Generalstabschef Tagmé na Waié (Foto: AP)
Soldaten beerdigen den bei einem Anschlag getöteten Generalstabschef Tagmé na WaiéBild: AP

Bei seiner Vereidigung als Staatpräsident Guinea-Bissaus schlug er seinen Landsleuten eine Art Gesellschaftsvertrag vor: "Ich werde alles möglich tun, dass die staatlichen Institutionen in Übereinstimmung mit der Verfassung und der Gesetze funktionieren. Ich werde ein Klima der Zusammenarbeit, insbesondere mit der Regierung, mit dem Parlament und den Organen der Souveränität schaffen."

Doch auch unter Sanhá kehrte keine Ruhe ein und Guinea-Bissau wurde seinem Ruf gerecht, einer der instabilsten Staaten Afrikas zu sein. Im April 2010 hatten Militärs den damaligen Generalstabschef Zamora Induta abgesetzt und für mehrere Stunden auch den Premierminister Carlos Gomes Júnior in ihre Gewalt gebracht. Ende Dezember 2011 folgte an Weihnachten ein weiterer Putschversuch.

Machtvakuum und das lange Schweigen

Da lag Malam Bacai Sanhá schon in Paris in einem Krankenhaus. Seit mehreren Monaten war er nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten, nicht einmal der Premierminister wurde zu ihm vorgelassen. Woran er gestorben ist, ist unbekannt. Unbestätigte Quellen sprechen von einer schweren Diabetes.

Mit Spannung wird nun erwartet, wie Guinea-Bissau auf den Tod des Präsidenten reagiert. Für eine Übergangszeit übernimmt Raimundo Pereira, der Parlamentspräsident, die Amtsgeschäfte.

Angola hat eine Schlüsselrolle

Nachdem sich die EU weitgehend aus Guinea-Bissau zurückgezogen hat, kommt dem ebenfalls portugiesischsprachigen Angola eine Schlüsselrolle für die Stabilisierung des Landes zu. Angola unterhält eine kleine Militärpräsenz im Land, um die Streitkräfte zu reformieren. Bereits beim jüngsten Putsch im Dezember bot die angolanische Botschaft dem Premierminister Schutz.

Die Armee gilt neben der Drogenmafia als eine der beiden Unruhequellen der vergangenen Jahre. Nur wenn es dem Nachfolger von Malam Bacai Sanhá gelingt, die Armee zu kontrollieren und den Drogenhandel zu bekämpfen, dürfte das Land endlich die von Sanhá ersehnte Stabilität bekommen.

Der seit dem Bürgerkrieg in den 90er Jahren zerstörte Präsidentenpalast im Zentrum von Bissau steht symbolisch für die Probleme des Landes (Foto: DW)
Der seit dem Bürgerkrieg in den 90er Jahren zerstörte Präsidentenpalast im Zentrum von Bissau steht symbolisch für die Probleme des Landes - ob es dem Nachfolger von Malam Bacai Sanhá gelingen mag, das Land zu stabilisieren?Bild: DW

Autorin: Helena de Gouveia
Redaktion: Johannes Beck