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Musterschüler der Eurokrise

Ralf Bosen14. September 2012

Vom Schuldensünder zum Musterschüler der Eurokrisenländer: Portugal wird für seine Reformen von der EU mit einer Atempause belohnt. Um aus der Flaute zu kommen, müssen noch Klippen umschifft werden.

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Eine Aufzug-Bahn in Lissabon (Foto: Stefan Franz - Fotolia.com)
Bild: Stefan Franz/Fotolia

Gute Nachrichten zur Eurokrise: Wann hat es das zuletzt gegeben? Noch vor einem Jahr musste Portugal unter den Rettungsschirm schlüpfen. Jetzt befindet es sich im Genesungsprozess. Der Besuch der Geldgeber-Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds brachte für Portugal die ersehnte Bestätigung, dass es sich auf dem richtigen Kurs befindet. Zwei Wochen lang waren die Mitglieder der Troika in dunklen Anzügen und mit schweren Aktentaschen in der Hauptstadt Lissabon unterwegs. Zwei Wochen lang prüften sie, ob es mit den Reformen und Spar-Anstrengungen vorangeht. Ihr Fazit: Es geht voran. Portugal hält sich an die Auflagen der EU.

Finanzspritze als Belohnung

Als die Abgesandten der Geldgeber nach ihrem mittlerweile fünften Kontrollbesuch aus der portugiesischen Hauptstadt abreisten, lobten sie nicht nur, sondern belohnten auch: Indem sie grünes Licht für eine weitere Teilzahlung des 78-Milliarden-Euro-Kredits gaben. Außerdem bekommt Portugal ein Jahr mehr Zeit für den Schuldenabbau. Bis 2014 soll das Haushaltsdefizit auf höchstens drei Prozent gesenkt sein. Portugal habe sich bei der Umsetzung aller auferlegten Reformen als vorbildlich erwiesen, bestätigt Matthias Kullas vom Centrum für Europäische Politik gegenüber der Deutschen Welle. "Der Bedarf an ausländischen Krediten ist zurückgegangen, die Lohnkosten sind gesunken und die Wettbewerbsfähigkeit ist gestiegen."

Drei Männer kommen aus einem Gebäude (Foto: dpa)
Mitglieder der Troika während ihres Besuchs in LissabonBild: picture-alliance/dpa

Dafür hat das Land einiges getan, zum Beispiel den Verkauf von Staatseigentum. Am wichtigsten sind die strukturellen Reformen. Hierzu zählen die Rentenkürzungen, die Reform der Arbeitslosenversicherung, die eine Arbeitslosengeldbegrenzung auf 18 Monate vorsieht, die Lockerung der Arbeitszeitbegrenzungen sowie die Vereinfachung von Einstellungen und Entlassungen.

Nötige, aber schmerzhafte Korrekturen

Bislang herrscht in Portugal weitgehende Einigkeit über den Sparkurs. Wie Hans-Joachim Böhmer von der Deutsch-Portugiesischen Handelskammer in Lissabon erläutert, konnte sich die Regierung bisher darauf verlassen, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung trotz aller Belastungen die Zähne zusammenbeißt. "In Portugal ist man sich darüber im Klaren, dass Anpassungsmaßnahmen notwendig sind. Sie werden von der Regierung, der Opposition und von der Bevölkerung getragen", sagt Böhmer der Deutschen Welle.

Eine Porträtaufnahmevon Hans-Joachim Böhmers, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Portugiesischen Handelskammer in Lissabon. (Foto: AHK)
Hans-Joachim Böhmer sieht die Chancen PortugalsBild: AHK

Insofern sei ein breiter Konsens über die Notwendigkeit von Korrekturmaßnahmen vorhanden. "Das ist eine hervorragende Basis, um zwischen Bürgern, Regierung und Wirtschaft Korrekturen umzusetzen", so Böhmer. Dies könne beispielhaft sein für andere Länder: "Ein Gesamtkonsens der ganzen Gesellschaft, dass Korrekturen nötig sind, auch wenn sie schmerzhaft sind."

Jugendliche in Lissabon vor einer Wand mit Protestbannern (Foto: PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP/Getty Images)
Jugendliche in Lissabon protestieren gegen die SparmaßnahmenBild: Getty Images

Doch genau dieser Konsens wird nun auf eine harte Probe gestellt. Weil die Wirtschaftsleistung geringer ausfällt, muss die Mitte-Rechts-Regierung weiter kürzen. Am 7. September überraschte Ministerpräsident Passos Coelho mit der Ankündigung einer Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer von elf auf 18 Prozent. Zur Bekämpfung der Rekordarbeitslosigkeit von 15,7 Prozent wird gleichzeitig der Arbeitgeberanteil um 5,75 Prozent gesenkt. Er soll dann bei 18 Prozent liegen. Ein paar Tage später gab Finanzminister Vitor Gaspar weitere Reformmaßnahmen bekannt, darunter Rentenkürzungen, eine beschleunigte Reduzierung der Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und eine Erhöhung der Einkommenssteuer.

Die neu angekündigten Maßnahmen haben eine Welle der Empörung ausgelöst. Die Gewerkschaften drohen mit Generalstreiks. Viele Zeitungen griffen die Frustration der Bürger auf und klagten über tiefe Einschnitte für die Bevölkerung. Die Tageszeitung "Publico" schrieb beispielsweise: "In nur fünf Tagen gleich zwei Schläge in die Magengrube, die großen Schaden anrichten. Das gestörte soziale und politische Klima wurde damit konsolidiert. Einmal mehr geht das Land auf glühenden Kohlen."

Portugals Premierminister Pedro Passos Coelho hinter einem Rednerpult (Foto: EPA/MIGUEL A. LOPES)
Portugals Premierminister Pedro Passos CoelhoBild: picture-alliance/dpa

Dass die portugiesische Regierung ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum nach unten korrigiert hat, sieht der Ökonom Böhmer nicht als Einbruch, "wodurch Zweifel an dem Weg Portugals aufkommen sollten". Wie bei der Verlängerung der Frist für den Abbau des Staatsdefizits sei auch hier die Erholung nicht so schnell, wie man sie sich ursprünglich vorgestellt hatte. "Ich glaube nicht, dass es zu einer größeren Verzögerung kommen wird."

Wirtschaft hofft auf Exporterfolge

Die Experten sind sich einig, dass Portugal sein Glück weiter im Ausland suchen muss, wenn es seine Wirtschaft in Fahrt bringen will. Die portugiesische Wirtschaft hat im heimischen Markt in den nächsten Jahren keine großen Wachstumsraten zu erwarten. Ausländische Märkte haben dagegen noch viel Potenzial. "In Europa ist Deutschland ein wichtiger Markt", sagt Böhmer von der Deutsch-Portugiesischen Handelskammer. Außerhalb Europas gehe der portugiesische Export stärker in "dynamische Länder wie China und Angola, aber wo entsprechende Wachstumsraten bereits erreicht wurden und in Zukunft auch erreicht werden.

Matthias Kullas vom Centrum für Europäische Politik sieht den Export ebenfalls als Wachstumsmotor, weist aber darauf hin, dass Portugal gleichzeitig mehr in Bildung investieren müsse. Derzeit habe das Land eine vergleichsweise schlecht ausgebildete Bevölkerung. "Portugal muss langfristig daran arbeiten, die Ausbildung der Bevölkerung zu verbessern, damit die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zunimmt, so dass Portugal auf den Weltmärkten wieder konkurrenzfähig wird", sagt Kullas. Momentan konkurriere Portugal eher mit China als mit Ländern wie Deutschland. "Da muss noch einiges passieren", mahnte Kullas.

Portugals Finanzminister Vitor Gaspar Gaspar bei einer Rede. (Foto: EPA/JOSE SENA GOULAO)
Portugals Finanzminister Vitor Gaspar kündigte Sparmaßnahmen anBild: picture-alliance/dpa

"Griechenland zögert, Portugal handelt"

Immerhin steht Portugal von den Eurokrisenländern mit am besten da. Nach Irland ist es das zweite Land, das beweist, dass Sparen bei gleichzeitigen Reformen zum Erfolg führen kann. Anders als der Nachbar Spanien und besonders Griechenland, die noch lange nicht über den Berg sind, ist für Portugal der Gipfel in Sichtweite. Im Gegensatz zu Spanien war Portugal wegen seines streng regulierten Immobilienmarktes nicht von einer geplatzten Immobilienblase betroffen. Der Beitritt zur Eurozone hatte keinen Immobilienboom ausgelöst wie in Spanien.

Im Vergleich zu Griechenland sieht Kullas den Unterschied vor allem in der Reform-Bereitschaft. "Griechenland hat viel beschlossen, aber wenig umgesetzt. Das ist ein riesiger Unterschied zu Portugal. Portugal beschließt Sachen und setzt sie dann auch tatsächlich um", lobt Kullas, der Portugals Probleme ähnlich sieht wie die Griechenlands. Aber bei ihrer Lösung sei Portugal "deutlich effizienter und zeigt einfach, dass es über den Willen und die nötigen Fähigkeiten verfügt".

Eine Porträtaufnahme von Matthias Kullas vom Centrum für Europäische Politik in Freiburg (Foto: Privat)
Matthias Kullas vom Centrum für Europäische Politik in FreiburgBild: CEP/Conny Ehm