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Poroschenko markiert rote Linien

Frank Hofmann17. September 2015

Nach Monaten der Gewalt trotz Friedensabkommen ruhen in der Ostukraine die Waffen. Nun verweigert die ukrainische Regierung westlichen Journalisten die Einreise. Ein Paukenschlag mit Ziel - Frank Hofmann aus Kiew.

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Poroschenko (Foto: Mikhail Markiv/RIA Novosti)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Markiv

Die Meldung aus dem Kiewer Präsidentenpalast am Mittwoch Abend (16.09.2015) klang zunächst harmlos: Die Ukraine weite ihre Sanktionsliste gegenüber Russland aus, nachdem die von Moskau unterstützten Rebellen in der Ost-Ukraine angekündigt hatten, im Oktober in Eigenregie Wahlen durchzuführen. Genaueres Hinsehen auf die auf der Internetseite des Präsidialamtes veröffentlichten Listen über mehr als 100 Unternehmen und fast 400 Personen offenbarten jedoch gehörigen Sprengstoff: Denn auch westliche Journalisten sollte die Einreise verweigert werden.

Keine 24 Stunden später ruderte der Präsident zurück. In einem Telefonat mit der Deutschen Welle in Kiew erklärte Präsidentensprecher Yarema Dukh, dass auf Weisung Poroschenkos die Einreiseverbote gegenüber Journalisten aus Deutschland, Großbritannien und Spanien wieder aufgehoben worden seien. Zunächst war auch der ehemalige Chefredakteur des früheren konservativen Rheinischen Merkur und ARD-Fernsehautor Michael Rutz auf der Liste des Inlandsgeheimdienstes SBU. Rutz hat neben Filmen über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch ein Portrait über Altkanzler Helmut Kohl (CDU) mit verantwortet, den er selbst interviewen konnte.

Gegenüber der Deutschen Presseagentur zeigte er sich überrascht und konnte sich diesen Schritt seitens der ukrainischen Sicherheitsbehörden auch nicht erklären. Auch die drei Mitarbeiter der britischen BBC, darunter ein langjähriger Moskau-Korrespondent und ein Kameramann des Senders, seien von der Sanktionsliste gestrichen, so Präsidentensprecher Yarema Dukh. Gleiches gelte für die in der ursprünglichen Liste erwähnten spanischen Journalisten.

Geheimdienst-Handschrift?

Unklar ist, ob die ursprüngliche Verbotsliste vom ukrainischen Präsidenten und seinem Beraterstab wohlkalkuliert war oder ein Produkt der nach eineinhalb Jahren Krieg an Macht gewonnenen Sicherheitskräfte - vorneweg des Inlandsgeheimdienstes SBU, heißt es in Kreisen internationaler Journalisten in Kiew. Auch wird immer wieder gemunkelt, dass in den staatlichen Strukturen der Ukraine bis heute prorussische Kräfte agitierten.

Kiewer Vibrationen

Deutlich scheint: Seit vergangener Woche vibriert es in Kiew, es werden rote Linien markiert, die Poroschenko auch gegenüber westlichen Partnern geäußert hat. Eine wurde jetzt seitens der ostukrainischen Kriegsfürsten überschritten: Sie wollen tatsächlich am 18. Oktober und am 1. November Wahlen in den Rebellengebieten der Regionen Donezk und Luhansk abhalten. Das verstößt gegen die Minsker-Vereinbarung, die im Februar in einer langen Nacht zwischen Poroschenko und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unter Vermittlung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des französischen Staatspräsidenten Francois Hollande ausgehandelt worden war.

Waffenstillstand nach sieben Monaten

Zu den Ergebnissen der Verhandlungen gehörte der Waffenstillstand, der seit dem 1. September erstmals hält - sieben Monate nach seiner Vereinbarung. Aus dem Kiewer Präsidentenpalast heißt es: Weil Moskau sich nun auf Syrien konzentriere. Der Drang zum Handeln liegt nach dieser Lesart nun in der ukrainischen Hauptstadt. Am 24. August, dem Nationalfeiertag, reiste der ukrainische Präsident nach Abnahme einer Militärparade im Zentrum von Kiew nach Brüssel, zuvor aber nach Berlin: zu einem Treffen im deutschen Bundeskanzleramt mit Merkel und Hollande.

Neben Petro Poroschenko saß da auch ein Kiewer Chef-Militär. Der habe "Beweise für die Präsenz regulärer russischer Truppen in unserem Land vorgelegt", sagt ein ukrainischer Diplomat. Am Ende des Treffens soll ein zweiseitiger Text zu Papier gebracht worden sein, der Russlands Präsenz in der Ostukraine verurteilte. "Das Papier wurde auf Druck Frankreichs nicht veröffentlicht", behauptet der Mann. Unklar ist, ob das stimmt. Klar hingegen scheint: Das Berliner August-Treffen sowie das diplomatische Rauschen in Kiew unterliegen einer Choreographie mit vielen Regisseuren, die allesamt einen Fixpunkt haben: die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York im Beisein vieler Staats- und Regierungschefs nächste Woche. Darunter: Wladimir Putin.