Popstar Namika: "Es geht um den Respekt"
16. November 2018Deutsche Welle: Sie sind eine von nur drei deutschen Rapperinnen, die einen Nummer-eins-Hit in den Charts gelandet haben - wie haben Sie es geschafft, sich im männerdominierten Hip-Hop durchzusetzen?
Namika: Mir ist es gelungen, im Hip-Hop meinen Platz zu finden, weil ich mir meinen Platz geschaffen habe. Ich bin in keinen Wettbewerb gegangen, sondern habe einfach nur meine Musik gemacht. Und ich bin ein Teil dieser Szene geworden.
Ihre Texte kreisen oft um Begriffe wie "Herkunft" oder "Identität". Welche Rolle spielen bei Ihnen Frauenthemen ?
Ich bediene mich bei alltäglichen Themen, weil das für mich das Greifbarste ist und alles andere für mich keinen Sinn machen würde. Ich bin aber auch eine Frau und habe natürlich Frauenthemen, die mich beschäftigen. Mit Frauenthemen meine ich sensible Sachen, auf die ein Mann gar nicht kommen würde. Als Frau kann ich eher Schwäche zeigen, was bei Männern vielleicht nicht so angesagt ist, weil es schnell als weinerlich abgestempelt wird.
Sie sind als Frau ja im Vorteil, weil Ihnen viel mehr Themen offen stehen, oder?
Es ist ein absoluter Vorteil, dass ich eine Frau bin (lacht). Ich kann machen, was ich will, und das Studio ist mein Spielplatz.
Sie sind bei Ihrer alleinerziehenden Mutter und Ihrer Oma aufgewachsen – beides starke Frauen. Hat das Ihr Selbstwertgefühl beeinflusst?
Also für mich gab es als Kind immer nur ein Ziel und zwar meinen Traum zu verwirklichen, und das war die Musik. Dafür habe ich hart gearbeitet. Ich glaube, dass bei mir der soziale Background dazu beigetragen hat, dass ich noch härter gekämpft habe, dass ich noch mehr Gas gegeben habe, weil ich gemerkt habe, ich muss mich doppelt beweisen. Ich musste extrem hart kämpfen, um dahin zukommen, wo ich jetzt bin.
Werden Männer in der Musikbranche besser bezahlt?
Also, wenn die Gage höher ist als bei einer Frau, dann hat das meistens nicht nur damit zu tun, dass es ein Mann oder eine Frau ist. Vielleicht ist der Künstler ja berühmter als die Künstlerin, dann ist das auch gerechtfertigt. Aber das Eins-zu-eins-Beispiel im Büro, das kann keiner rechtfertigen: Dass Frauen immer noch weniger Geld für denselben Job wie ein Mann bekommen, das ist eine Sache, die muss von der Regierung geklärt werden. Man kann nicht erwarten, dass es im Hip-Hop vorgemacht wird, obwohl es in Rest-Deutschland noch gar nicht funktioniert.
Nur 29 Prozent der Solokünstler in den deutschen Album-Charts sind weiblich – was läuft da falsch?
Vielleicht sind die Interessen verschieden. Wir können ja nicht immer nur von uns ausgehen und sagen, weil wir jetzt das Zepter in die Hand nehmen wollen, müssen es alle anderen auch tun. Und wenn man ein bisschen weiter ausholt, müsste man das gesamte Ding von der Regierung aus steuern. Die muss dafür sorgen, dass in allen Chefetagen mindestens eine Frau sitzt, dass es 50 zu 50 aufgesplittet ist. Und dann kommen wir langsam in die Richtung von Gleichberechtigung.
Muss man sich als Frau im Musikbusiness sexy geben, um Erfolg zu haben?
Ich darf sein, wie ich bin. Und selbst wenn ich nicht sein dürfte, wie ich bin, würde ich es einfach tun. Was ist "sexy"? Für mich gibt es keine klare Definition davon. Es gibt ein sehr schönes internationales Beispiel. Sie ist total sexy, obwohl sie vom Style her mit kurzen Haaren eher unisex auftritt: Das ist die schottische Soulsängerin Emelie Sandé. Ich liebe ihre Musik und feiere sie als Künstlerin. Man sieht, es gibt kein richtig oder falsch. Hauptsache authentisch!
Ist #MeToo in der deutschen Musikszene ein Thema?
Ich habe Frauen in meinem Bekanntenkreis, die die Erfahrung gemacht haben, dass sie im Studio auf eklige sexuelle Weise belästigt wurden, obwohl sie da einfach aus professionellen Gründen hingekommen sind, um einen Song aufzunehmen. Und das hindert Frauen daran, eine zweite Chance zu suchen, es noch mal woanders zu probieren. Deswegen sage ich: "Liebe Frauen, werdet auch Produzentinnen, damit es so was dann irgendwann nicht mehr gibt." Ich selbst hatte das Glück, dass ich immer unabhängig war. Also ich hab' meine Beats immer selbst gemacht, in meinem Zimmer. Ich war sozusagen eine kleine "Beat-Makerin" auf Amateur-Status, aber ich konnte irgendwie schon mit der Technik umgehen. Und dann habe ich Gott seid Dank eine tolle Familie und Freunde um mich herum. Ich würde nie im Leben alleine zu einem Produzenten hingehen, den ich nicht kenne.
Wie würden Sie reagieren, wenn Sie jemand belästigt? Oder sind Sie dem gar nicht mehr ausgesetzt, weil Sie einen Status erreicht haben, wo so was nicht mehr passiert?
Auch ich werde sexuell belästigt, wo ich mir denke: "Ok, total fehl am Platz, sehr unprofessionell." Was bleibt mir übrig, ich zieh dann eine Grenze auf und sage: "Bis hier und nicht weiter. Wir sind Musiker. Ich begegne Dir auf Augenhöhe. Was denkst Du?" Männer dürfen Frauen toll finden. Natürlich. Aber es geht um den Respekt, wie so etwas angegangen wird, was gesagt wird. Geht das unter die Gürtellinie, was gesagt wird? Wenn ja, dann ist es schon eine Respektlosigkeit. Das muss keine Frau dulden.
Haben Sie einen Tipp für junge Musikerinnen?
Ich würde jungen Musikerinnen auf jeden Fall raten, dass sie eine Ein-Mann-Armee werden beziehungsweise eine Ein-Frau-Armee natürlich. Sprich: Seid unabhängig, lernt ein Instrument, seid "Beat-Maker", probiert Euch aus. Lernt Songwriting, das klassische Handwerk, wie man einen Song schreibt, wenn Euch das wirklich interessiert mit der Musik. Und dann habt Ihr alles und könnt alles alleine. Und das ist dann gefährlich - auf eine gute Art und Weise.
Das Gespräch führte Claudia Würzburg.
Namika wurde 1991 als Hanan Hamdi in Frankfurt am Main geboren. 2015 stellte sie ihr Debütalbum "Nador vor"; die ausgekoppelte Single "Lieblingsmensch" landete auf Anhieb in den Charts und machte sie deutschlandweit bekannt. Ihr aktuelles Album "Que Walou" erschien im Juni 2018.