Polen: Regierungspartei PiS gewinnt Regionalwahlen
24. Oktober 2018Die Regionalwahlen gelten als erster großer Test für die national-konservative Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) seit dem Machtwechsel von 2015. Rund 192.000 Kandidaten bewerben sich um 2.500 Bürgermeisterämter, 40.000 Gemeinderatssitze und 550 Mandate für die 16 Regionalparlamente. Die liberalen Oppositionsparteien Bürgerplattform (PO) und Die Moderne (Nowoczesna) sind gemeinsam angetreten und kommen auf 26,7 Prozent der Stimmen, die Bauernpartei PSL auf 13,6 Prozent, die Linken auf 6,6 Prozent. In der zweiten Runde am 4. November wird sich an diesem Ergebnis nicht mehr viel ändern.
PiS punktet mit Kindergeld
Zwar geht die PiS als klare Siegerin hervor, doch mit 33 Prozent der Wählerstimmen verzeichnet sie ein schwächeres Ergebnis als bei den Parlamentswahlen von 2015, als sie noch auf über 37 Prozent kam. Die breite Unterstützung der Bevölkerung verdankt die Regierungspartei vor allem der Einführung des Kindergeldes. In Polen liegt das Durchschnittseinkommen bei nur 1.100 Euro im Monat, ein Kindergeld von 140 Euro pro Kind und Monat verbessert das Budget von ärmeren Familien maßgeblich. Die traditionellen PiS-Regionen sind der südliche und der östliche Teil Polens. Dort spielt die katholische Kirche eine wichtige Rolle.
Die PiS wird die Mehrheit der Sitze in neun von insgesamt 16 Regionalparlamenten bekommen. Das bedeutet, die Macht über das Geld aus der EU zu haben - denn die EU-Mittel werden zum Großteil von den Regionalparlamenten verteilt. Davon sind auch die Gemeinden bei ihren Investitionsvorhaben abhängig, was die PiS den Wählern klarzumachen versuchte - teilweise sogar in Form von Drohungen. Auch wenn Polen im kommenden EU-Haushalt für die Jahre 2021-2027 weniger Subventionen als bisher bekommt, geht es hier um beträchtliche Beträge. In der Haushaltsperiode 2014 bis 2020 soll Polen insgesamt 80 Milliarden Euro aus dem EU-Topf erhalten.
PiS verliert Anhänger
Weil PiS-Kandidaten bei der Kommunalwahl von der Regierung und staatsnahen Medien stark unterstützt worden seien, hätten sie mehr Stimmen holen können, meint der Warschauer Politik-Professor Radoslaw Markowski. Im Gespräch mit der Zeitung "Gazeta Wyborcza" sagte er, die soziale Agenda der PiS (wie die Senkung des Rentenalters, das Kindergeld, die Wohnungsbauprogramme für junge Paare oder die staatlich finanzierten Schultüten zum Jahresanfang) habe offenbar ihre Ziele verfehlt.
Das Wahlergebnis der PiS bedeute noch nicht, dass sie in den Regionen allein regieren könnte, erläutert der Politikwissenschaftler: "Es kann passieren, dass sie sogar in Regionen, in denen sie als stärkste Partei hervorging, nach Bündnissen suchen wird." Die liberale Opposition habe zusammen mit der Bauernpartei in vielen Fällen insgesamt mehr Stimmen als die PiS erhalten, betont Markowski. Das Gesamtergebnis von 33 Prozent zeige, dass die Zahl der PiS-Anhänger landesweit von 5,7 Millionen auf 5 Millionen gesunken sei.
Bastionen der Opposition
Der PiS ist es nicht gelungen, die Großstädte zu erobern, die als Bastionen der Opposition gelten. Im Endspurt des Wahlkampfes fühlte sich die Opposition auch von der EU gestärkt, als zwei Tage vor dem Wahlsonntag eine für Polen wichtige Entscheidung des EU-Gerichtshofes verkündet wurde. Die Luxemburger Richter haben den sofortigen Stopp der Zwangspensionierungen von Richtern des Obersten Gerichts in Polen verordnet. Das Gesetz, mit dem die PiS unliebsame Richter in Rente schicken will, ist ein Teil der umstrittenen Justizreform, die zum EU-Rechtsstaatsverfahren gegen Polen geführt hat.
Kurz vor den Wahlen hat auch Justizminister Zbigniew Ziobro für einen Eklat gesorgt: Beim EU-Justizministertreffen protestierte er gegen eine Formulierung, die in der Debatte über den Grundrechte-Bericht der EU sexuelle Minderheiten als "Opfer von Diskriminierung" bezeichnete.
In einigen Großstädten wie Warschau, Lodz, Posen und Breslau haben die Kandidaten der liberalen Opposition die erste Runde für sich entschieden. In Krakau, Danzig und Stettin haben sie die meisten Stimmen bekommen, doch keine Mehrheit, daher wird die Entscheidung dort erst in der zweiten Runde fallen.
Für polnische Verhältnisse war das Interesse an den Wahlen groß, die Wahlbeteiligung kletterte auf 54 Prozent. Für viele Polen gelten die Regionalwahlen als Testlauf für die Wahlkämpfe, die bald anstehen. Ein halbes Jahr nach den EU-Wahlen im Frühling 2019 wird im Herbst 2019 das polnische Parlament und Mitte 2020 der Präsident gewählt.