Polizeigewalt schockiert Frankreich
13. Mai 2015Die Hilfsorganisation "Calais migrants solidarity" (CMS) hat die Aufnahmen nach eigenen Angaben im Hafenbereich der Stadt am Ärmelkanal gemacht und jetzt veröffentlicht. In den kurzen Sequenzen des zweiminütigen Videos ist unter anderem zu sehen, wie Polizisten Flüchtlinge treten, sie mit dem Knie auf den Boden drücken oder Tränengas gegen sie einsetzen. Die Aufnahmen wurden aus der Ferne gemacht und sollen den Umgang von Polizisten mit Flüchtlingen zeigen, die in Lkw versteckt auf die andere Seite des Ärmelkanals nach Großbritannien gelangen wollten.
Auch Staatsanwalt ermittelt
"Die genauen Umstände dieser Handlungen werden schnell untersucht", kündigte die nationale Generaldirektion der französischen Polizei an. Jeder Verstoß gegen die Verhaltensregeln der Polizei werde geahndet. Der Staatsanwalt von Boulogne-sur-Mer, Jean-Pierre Valensi, sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe eine eigene Untersuchung der Vorfälle eingeleitet. Wenn sich der Verdacht einer unangemessenen Gewaltanwendung von Polizisten bestätige, seien dies strafrechtliche Verstöße.
Die Organisation "SOS Racisme" äußerte sich "schockiert" über das Video. Sie forderte das Innenministerium auf, "die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit diese ungerechten Übergriffe aufhören".
Die Polizeigewerkschaft Unsa-Police warnte hingegen vor einer Vorverurteilung. Ein Gewerkschaftsvertreter erklärte, in dem Video seien die Szenen aus dem Zusammenhang gerissen, so dass unklar sei, ob den Polizeieinsätzen Angriffe der Migranten vorausgegangen seien. Wenn es sich allerdings um willkürliche Gewaltakte der Beamten handeln sollte, müssten diese bestraft werden.
Besuch des Inneministers
Die Hilfsorganisation CMS hatte die Aufnahmen laut eigener Darstellung am 5. Mai gemacht, einen Tag nach einem Besuch von Innenminister Bernard Cazeneuve in Calais. Die Aufnahmen der Polizeieinsätze wechseln sich in dem Video mit Äußerungen von Cazeneuve ab wie etwa "Calais ist für mich das Versuchslabor dafür, wie die Republik das Beste hervorbringen kann" und "unser Handeln trägt Früchte".
Calais ist der Anlaufpunkt für Migranten, die versuchen, in Lastwagen oder auf einem Schiff nach Großbritannien zu gelangen. Viele der Menschen leben in notdürftig errichteten Lagern. Da sie sich in Großbritannien bessere Lebensbedingungen versprechen, stellen viele der Migranten keinen Asylantrag in Frankreich. Nach den Vereinbarungen der EU darf Frankreich die Flüchtlinge aber nicht weiterreisen lassen. Nach Angaben der örtlichen Behörden waren in den vergangenen Tagen mehr als 300 Migranten und damit doppelt so viele wie bislang üblich auf den Zufahrtsstraßen zum Tunnel unterwegs.
wl/SC (afp, dpa)