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"CDU war nie basisdemokratisch!"

Volker Wagener26. Juni 2015

Die CDU wird 70. Sie möchte die etwas andere Partei sein. Sie will vor allem verbessern, weniger verändern. Und basisdemokratisch wie die SPD ist sie auch nicht, sagt der Politologe Jürgen W. Falter im DW-Interview.

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Wahlplakate der CDU (l) und der SPD in Frankfurt am Main, die mit den Konterfeis ihren prominenten Politiker Helmut Kohl (l), Willy Brandt (M) und Helmut Schmidt für die am 10. Juni 1979 stattfindenden Wahlen zum Europa-Parlaments werben (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Prof. Falter, Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl hat in seiner aktiven Zeit immer mal wieder gesagt, man müsse als Partei "bei den Leuten sein". Ist das ein Charakteristikum der CDU?

Prof. Jürgen W. Falter: Ja, die CDU ist nach wie vor eine Volkspartei, das heißt mit anderen Worten, sie hat Wähler aus allen Schichten, sie betont zwar relativ stark ihren bürgerlichen Charakter, aber sie hat dennoch vergleichsweise viele Arbeiterwähler. Sie hat Wähler aus der Mittelschicht und der Oberschicht. Es sind Wähler, die insgesamt eine bürgerliche Mentalität haben, eher konservativ und weniger gesellschaftsverändernd eingestellt sind als die Wähler linker Parteien .

Angefangen hat die CDU als Partei der Herz-Jesu-Marxisten. Das Kapital bändigen, Arbeiter fördern, so lauteten die ersten Forderungen. So links wie die CDU damals war, ist die SPD schon lange nicht mehr. Wie kam es dazu?

Dass der Linkskatholizismus nach 1945 kurze Zeit die CDU dominiert hatte, war natürlich aus dem Geist der Zeit heraus entstanden, aus bestimmten Interpretationen des Nationalsozialismus, des Dritten Reiches und der totalen Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Man ging damals relativ stark von einem Bündnis zwischen Kapital und Faschismus aus, was sich im Nachhinein als nicht vollständig richtig erwiesen hat. Wirtschaftsminister Ludwig Erhard hat sich dann schnell mit seiner Idee der sozialen Marktwirtschaft durchgesetzt. Die hatte nun einmal eine viel höhere Anziehungskraft als die damals grassierenden planwirtschaftlichen Vorstellungen, die ja auch noch desavouiert waren durch das Beispiel der Sowjetischen Besatzungszone und des Ostblocks.

Ob Adenauer, Kohl oder Merkel: Stets hatte die Partei dominante Vorsitzende, die auch Kanzler konnten beziehungsweise können. Bei allen dreien galt die CDU immer als Kanzler-Wahlverein. Ein CDU-spezifisches Phänomen?

Das ist ein CDU-spezifisches Phänomen, denn die SPD als die volksparteiliche Konkurrentin, die sie lange war, - im Augenblick aber nicht ist, weil sie nicht stark genug ist, - hat sich immer stärker als die CDU als eine programmatische Partei verstanden. Als eine Partei, die die Welt deuten und zum Besseren verändern wollte. Anders die CDU. Sie ist im Kern doch eher konservativ mit liberalen Einsprengseln. Sie will eher bewahren und das für gut Befundene aufheben. Sie ist einfach nicht so stark programmatisch orientiert wie die SPD, sondern bei ihr geht es primär um Machtpositionen, um die Fähigkeit, das, was man für richtig hält, auch durchsetzen zu können. Und das kann nun einmal am besten ein starker Kanzler. Das heißt also, die CDU war nie eine basisdemokratische Partei, als die sich die SPD manchmal gibt.

Porträt Jürgen Falter (Foto: dpa)
Prof. Jürgen FalterBild: picture-alliance/dpa

Erreichtes bewahren

Hat die Union noch Visionen? Mit der deutschen Einheit und dem vereinten Europa sind Großziele erreicht. Was bleibt als Perspektive?

Als Perspektive bleibt vernünftiges Regieren, das Staatsschiff durch Untiefen zu führen, ohne dass man auf Grund läuft. Den Wohlstand zu mehren oder zumindest zu erhalten, nationale Interessen zu verteidigen. Einen Zustand erreichen, mit dem die meisten zufrieden sind und für den es sich lohnt zu arbeiten. Und: Das Versprechen, diesen Zustand zu erhalten und gegebenenfalls leicht zu verbessern. Und mit diesem Versprechen Wähler zu gewinnen und zu erhalten.

Angela Merkel kann sich auf ihre Partei verlassen. Aber ist nicht die Partei verlassen, wenn ihre Anführerin irgendwann abtritt?

Das ist eines der Hauptprobleme, vor dem sich die Partei sieht. Aber vor einer solchen Situation hat sie sich ja schon mehrmals gesehen. Das war ja bei Adenauer und Kohl schon so. Starke Eichen lassen in ihrem Schatten kleine Bäume nicht wachsen; das ist auch eines der Probleme von Angela Merkel. Sie hat die Partei so fest in der Hand, sie hat sich so durchgesetzt, dass Konkurrenten weit und breit nicht zu sehen sind. Und damit auch keine potentiellen Nachfolger. Das könnte ein Manko werden. Andererseits: Wer hätte gedacht, als Helmut Kohl allmählich anfing zu schwächeln, dass Angela Merkel es ausgerechnet wäre, die ihn beerben würde?

Prof. Jürgen W. Falter ist Politologe. Er lehrt und forscht an der Johannes- Gutenberg-Universität in Mainz.

Das Interview führte Volker Wagener.