Politische Krise nach Afghanistan-Wahl
21. Juni 2014"Da die Wahlbehörden nicht auf unsere legitimen Forderungen eingegangen sind, lehnen wir ab sofort alles ab, was sie tun", erklärte der afghanische Präsidentschaftskandidat Abdullah Abdullah diese Woche. Er war bei der Stichwahl am vergangenen Samstag gegen den früheren afghanischen Finanzminister Aschraf Ghani angetreten. Den afghanischen Wahlbehörden wirft er massiven Wahlbetrug vor. Wegen Unregelmäßigkeiten bei der Stichwahl hatte Abdullah bereits am Mittwoch (18.06.2014) den sofortigen Abbruch der Stimmenauszählung gefordert.
Der Politiker, der bereits bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2009 gegen Hamid Karzai angetreten war, warf dem scheidenden Präsidenten vor, während des diesjährigen Wahlkampfes nicht unparteiisch gewesen zu sein. Schon 2009 hatte Abdullah den Präsidenten des Wahlbetrugs beschuldigt und sich bereits vor der Stichwahl zurückgezogen.
Die Vorwürfe des früheren Außenministers bringen Afghanistan während des ersten demokratischen Machtwechsels seiner Geschichte an den Rand einer politischen Krise.
"Kandidaten sollten das Ergebnis akzeptieren"
Nach Medienberichten demonstrierten in der Hauptstadt Kabul am Donnerstag etwa hundert Anhänger von Abdullah gegen den mutmaßlichen Wahlbetrug. Gleichzeitig sehnen viele Afghanen das Ende der Wahl herbei, damit das Leben in dem vom Krieg zerrütteten Land wieder möglichst normal weitergeht.
Zubair Milma wartet gespannt auf den Ausgang der Wahl. "Warum sollte sich dieser Prozess in die Länge ziehen?" sagt der 30-jährige Mann aus Kabul. "Dafür haben Menschen ihr Leben gelassen, anderen hat man die Finger abgehackt, und deshalb sollten die Kandidaten das Ergebnis akzeptieren." Nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministeriums waren am Wahltag 33 Zivilisten von Mitgliedern der Taliban getötet und 63 verletzt worden.
Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) warnt vor Gewaltausbrüchen, sollten sich die Kandidaten nicht an die gesetzlichen Rahmenbedingungen halten und sich direkt an ihre Anhänger wenden. Die Vereinten Nationen zeigten sich "höchst besorgt" und bezeichneten die Entscheidung Abdullahs, die Beziehungen zur Unabhängigen Wahlkommission (IEC) in Kabul auszusetzen, als "bedauerlich".
Weder die Wahlbehörden noch die Präsidentschaftskandidaten dürften den Prozess jetzt gefährden, warnt Fahim Naime, Sprecher der unabhängigen Wahlbeobachterorganisation FEFA (The Free and Fair Election Forum of Afghanistan). Die Angelegenheit müsse so schnell wie möglich bereinigt werden, denn die Krise werde sich mit der Zeit verschärfen. "Wenn es so weitergeht, erreichen wir vielleicht einen Punkt, an dem die Wahlbehörden die Probleme nicht mehr in den Griff bekommen", erklärt Naim im Gespräch mit der DW.
FEFA hatte mehr als 9000 Beobachter landesweit entsandt, um die Wahllokale während der Stichwahl im Auge zu behalten. Sie sei genauso transparent gewesen wie der erste Wahlgang, berichtet die Organisation. Abdullah Abdullah bekam im ersten Wahlgang im April 45 Prozent der Stimmen, akzeptierte das Ergebnis und machte sich für eine Stichwahl stark.
Nach Angaben der Wahlkommission IEC beteiligten sich sieben Millionen Menschen an der Stichwahl am 14. Juni: Das sind etwa 60 Prozent der Wahlberechtigten. Abdullah behauptet, die Wahlbeteiligung sei in Wirklichkeit viel geringer gewesen und man habe die Zahlen nach oben korrigiert, um seinem Konkurrenten den Weg zu ebnen.
Auszählung dauert an
Die Auszählung der Stimmen werde unter nationaler und internationaler Aufsicht fortgeführt, erklärt IEC-Sprecher Noor Mohammad Noor der Deutschen Welle: "Die IEC hat sich mit beiden Kandidaten auf ein Verfahren geeinigt, und das sollten sie auch respektieren".
Auch die FEFA beobachte weiterhin die Auszählung, erklärt Sprecher Fahim Naime. Vor allem hoffe man, dass "das Vertrauen zwischen Abdullah Abdullah und der IEC wiederhergestellt wird." Vorläufige Ergebnisse von Seiten der IEC werden für den 2. Juli erwartet, das Endergebnis für den 22. Juli.