Polen beharrt auf seiner Justizreform
10. April 2018Nach den Aussagen des ersten Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Frans Timmermans und des polnischen Außenministers Jacek Czaputowicz am Montag (9.4.2018) in Warschau müsste der Konflikt zwischen Brüssel und Warschau bald beigelegt werden. Beide Seiten erklärten sich kompromissbereit. "Für die Europäische Kommission ist es wichtig, dass wir eine Lösung finden", sagte Timmermans und betonte, wie sehr die EU Polen brauche. "Wir wollen das Rechtsstaatsverfahren abschließen", sagte der polnische Außenminister.
Neuer Ton zwischen Brüssel und Warschau
Timmermans freut sich, dass es jetzt überhaupt einen Dialog gibt. Bis vor Kurzem galt er in den polnischen Regierungskreisen als Feind. Der frühere Außenminister Witold Waszczykowski gab sogar offen zu, dass er sich Timmermans Besuche in Polen nicht wünsche. Die bis vor wenigen Monaten noch amtierende Premierministerin Beata Szydlo wollte die Tatsache, dass Brüssel gegen Polen ein sogenanntes Rechtsstaatsverfahren eingeleitet hatte, nicht einmal wahrnehmen.
Der gefährdete Rechtsstaat
Das förmliche Verfahren nach Art. 7 des Lissaboner Grundlagen-Vertrages der EU läuft gegen Polen seit Dezember 2017. Brüssel kritisiert die Justizreform, die die Ernennung von Richtern vom Justizminister abhängig macht. Nach den neuen Gesetzen dürften Richter des höchsten polnischen Gerichts auch vorzeitig in Rente geschickt werden, was der Politik erlauben würde, die Unbotmäßigen abzuberufen. Als Begründung hieß es, viele der Richter, die von der Vorgängerregierung benannt worden waren, stammten noch aus kommunistischer Zeit. Ende März hat die Regierungspartei PiS einige Nachbesserungen vorgeschlagen. Diese sollen in den kommenden Wochen vom polnischen Parlament diskutiert werden.
Zu den Nachbesserungsvorschlägen hat sich Timmermans in Warschau nicht geäußert, er warte "auf konkrete Schritte" des Sejm. Warschau will aber, dass "die Justizreform in ihrem Kern unverändert bleibt", so der polnische Außenminister. Obwohl sich also der Dialog zwischen Warschau und Brüssel offenbar wesentlich verbessert hat, scheint der Konflikt noch lange nicht beseitigt zu sein.
Polen kontra Brüssel
Für die nationalkonservativen Kreise ist das Tauziehen um den Rechtsstaat ein wichtiges Element der Innenpolitik. Die Verteidigung der polnischen Reformen gegenüber der EU wird oft als eine Ehrensache dargestellt. Der Konflikt wird in der Öffentlichkeit so dargestellt, als ob Polen seine Hausaufgaben längst gemacht habe und die Lösung jetzt allein in den Händen der EU läge.
"Wenn die Europäische Kommission wirklich einen guten Willen hat, dann müsste sie die Reform und die vorgeschlagenen Nachbesserungen akzeptieren. Der Vorschlag seitens Polen liegt doch auf dem Tisch", sagt der EU-Abgeordnete Ryszard Czarnecki von der PiS. Als "Deadline" sieht er den Start der Budgetverhandlungen Anfang Mai.
Die EU soll die "Repressalien" beenden
Laut Marcin Roszkowski, Europaexperte vom konservativen Thinktank "Jagiellonen-Institut", "hat die Europäische Kommission begriffen, dass sie in diesem Konflikt nicht gewinnen kann und dass sie zu harte Instrumente gegenüber Polen in Gang setzt". Er weist daraufhin, dass sich mittlerweile verschiedene europäische Staaten, darunter Ungarn, in diesem Konflikt auf die Seite Polens gestellt haben und künftig keine Sanktionen gegen Polen unterstützen würden. Brüssel könne sich "eine solche Niederlage nicht leisten", deshalb sollte die Politik der "Repressalien" gegenüber Polen aufhören. Im Gespräch mit der DW zeigt sich Roszkowski zuversichtlich: "Polen hat seine Nachbesserungsvorschläge vorgelegt und die Europäische Kommission wird sie in einigen Wochen annehmen."
Brüssel soll nicht nachgeben
Andere hoffen aber, dass die EU auf ihren Prinzipien beharren wird. Jacek Kucharczyk, Chef des Warschauer Instituts für Öffentliche Angelegenheiten, sieht in der veränderten Tonlage keinen Durchbruch. Den beiden Seiten gehe es mehr um die Rhetorik als um den Inhalt. "Der EU-Kommissar meidet scharfe Worte, damit die polnische Regierung sie nicht wieder zur Attacke auf Brüssel nutzt. Der polnische Außenminister schaut dagegen auf die pro-europäischen Gesellschaftskreise in Polen und will keinen Krieg mit Europa", doch im Grunde verteidige er doch die umstrittene Justizreform. "Ich sehe keine Annäherung in den Positionen. Timmermans spricht vom Prinzip der Gewaltenteilung und das würde von der polnischen Seite doch ernsthafte Korrekturen verlangen und nicht halbherzige Veränderungen, die die polnische Seite vorlegt."
Ein Nachgeben seitens der EU, etwa um Polen als starken Partner in Europa zu behalten, wäre aber falsch. "Wenn Brüssel versucht, Polen zur Rechenschaft zu ziehen, bedeutet das keine Gefahr für die Position Polens in Europa. Gefährlich wäre, wenn man so tun würde, als ob man nichts sehen würde", sagt der Soziologe. Seiner Meinung nach wäre ein Nachgeben seitens der EU für die pro-europäisch gesinnten Polen verheerend, weil sie dann denken würden, dass die EU zynisch sei und dass es selbst an seine Prinzipien nicht glaube.