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Platzeck: Der schwächelnde Hoffnungsträger

Bernd Gräßler, Berlin 22. Februar 2006

Matthias Platzeck ist seit 100 Tagen Vorsitzender der SPD. Hat er die erste Bewährungsprobe überstanden? Bernd Gräßler zieht Bilanz.

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Im Schatten einer cleveren Kanzlerin: Matthias PlatzeckBild: AP

Fast hätte Matthias Platzeck den hundertsten Tag seiner Amtszeit als SPD-Chef (22.2.) im Krankenbett verbringen müssen. Am Ende ist er rechtzeitig genesen, doch politisch gesehen schwächelt er noch. In den Umfragen hat er zuletzt gegen Kanzlerin Angela Merkel Sympathiepunkte verloren, und die von ihm geführte SPD gegen die Christenunion ebenfalls. Die Sozialdemokraten stehen im Schatten einer cleveren Kanzlerin, auch wenn SPD-Generalsekretär Hubertus Heil das Gegenteil behauptet und sagt: "Wenn wir über die Koalition sprechen, dann sind wir Koalitionspartner auf Augenhöhe. Dann ist die SPD die bestimmende Kraft in dieser Konstellation. Das hat auch mit der Arbeit des SPD-Parteivorsitzenden Matthias Platzeck zu tun, der für die Sozialdemokratie die Richtlinien der Politik bestimmt."

Achselzucken in der Berliner Republik

Tapfer stemmt sich Platzecks wichtigster Vertrauter in der Berliner SPD-Zentrale gegen die Wahrheit, die da heißt: Im harten Berliner Politikalltag ist vom sympathischen Matthias Platzeck wenig zu spüren. Seine Mahnungen, dass soziale Gerechtigkeit ebenso wichtig sei wie Freiheit, stoßen hier ebenso auf Achselzucken wie seine Begeisterung für das skandinavische Modell von Sozialreformen. Sein Versuch, die Kanzlerin in der Iranpolitik in die Ecke zu treiben, ging schief. Den Vorwurf, Angela Merkel sei einer Kriegslogik verfallen, könne man aus deren Äußerungen wirklich nicht ableiten, befanden die Kommentatoren.

Zwei große Auftritte hatte Platzeck bisher als SPD-Vorsitzender. Den ersten, umjubelten, gleich nach seiner Wahl mit sagenhaften 99,4 Prozent der Stimmen. Damals Worte des Aufbruchs: "Wir Sozialdemokraten in Deutschland zeigen sehr deutlich auch in schwierigen Zeiten: Wir stellen uns dieser Verantwortung. Wir laufen nicht weg, wir wollen dieses Land zukunftsfest machen, wir wollen es mitgestalten. Und zwar als eine hellwache, als eine zupackende Partei", so Platzeck in seiner Rede.

Müntefering bleibt starker Mann

Ein neuer sozialdemokratischer Hoffnungsträger war geboren. Der seine Rolle jedoch bisher nicht fand, weder als Gegenspieler der allzeit präsenten Kanzlerin noch als Chef in der eigenen Partei. Im Vergleich mit der CDU-Kanzlerin, die ihr Amt etwa zeitgleich antrat, konnte Matthias Platzeck bisher nicht punkten. Den Gedanken, ins Bundeskabinett zu wechseln, weist er von sich. Die Hälfte der Deutschen hält immer noch Vizekanzler Franz Müntefering für den starken Mann der SPD. Müntefering wiederum lobt seinen jungen Nachfolger in den höchsten Tönen: Er sei sehr kommunikativ, könne mit Menschen sprechen, gehe auf diese zu. "Und er hat Ausdauer, er ist einer, der weiß, dass man Politik auf langen Weg machen muss. Ich glaube, dass er damit gut bestehen kann und dass er nach dem, was er in Brandenburg geleistet hat und dem, was er jetzt als Parteivorsitzender macht, in der Spitze der Politik in Deutschland lange Zeit mitwirken wird."

Platzeck gilt als künftiger Kanzlerkandidat seiner Partei. Vielleicht ist es ja Münteferings gute Absicht, ihn nicht vorzeitig im politischen Alltagsgeschäft zu verschleißen. Vielleicht war es aber auch nur die Gewohnheit: die vorzeitige Erhöhung des Rentenalters auf 67 setzte der Vizekanzler auf die Tagesordnung, ohne Platzeck vorher Bescheid zu sagen. Das öffentliche Echo war verheerend.

Platzecks zweiter großer Auftritt fand übrigens Mitte Februar in London statt. Er habe ganz schnell einen persönlichen Draht zu Tony Blair gefunden, berichtete der deutsche Sozialdemokrat. Die Kameras zeigten zwei Politiker, die sich offenbar prächtig verstanden. Aus London nehme er Anregungen für ein Modell von Mindestlöhnen mit, sagte Platzeck. In Deutschland allerdings hatte sich da bereits Kanzlerin Merkel des ur-sozialdemokratischen Themas Mindestlöhne bemächtigt.