Piraten in Europa?
14. August 2009Seit Wochen gibt es keine zuverlässige Spur von dem Frachter "Arctic Sea", der unter maltesischer Flagge mit russischer Besatzung auf dem Weg von Finnland nach Algerien war. Am 28. Juli sendete das Schiff zum letzten Mal im Ärmelkanal ein Funksignal aus. Mittlerweile geht auch die Russische Reederei von Piraterie aus. Wenn diese Vermutung stimmen sollte, wären das die ersten Seeräuber in europäischen Gewässern seit über 150 Jahren.
Dabei gilt der östliche Mittelmeerraum als Wiege der Piraterie. Ägyptische Aufzeichnungen aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. beschreiben Überfälle von Piraten auf Zypern. Doch die Zeit der Seeräuber in Europa ist schon lange vorbei. Im vergangenen Jahr kam es lediglich im Golf von Aden, nahe der somalischen Küste, zu Übergriffen durch Piraten - auch auf europäische Schiffe. Danach hat die EU die Mission "Operation Atalanta" zur Bekämpfung der Piraterie gegründet.
Geheime Ladung an Bord
Bei dem verschollenen Schiff "Arctic Sea" könnte es sich laut britischer Küstenwache tatsächlich um eine Kaperung durch Piraten handeln. Aber diese Spekulationen werden nicht von allen geteilt. Bernhard Meyer, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Cuxhaven, sagte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (13.08.2009): "In diesen dicht befahrenen und gut kontrollierten Gewässern überfällt man nicht einfach mal so ein Schiff." Zudem war die 98 Meter lange und 4000 Tonnen schwere "Arctic Sea" auch nicht mit besonders wertvoller Fracht beladen.
Daher vermuten einige, dass das Schiff noch etwas anderes geladen haben muss. Michail Bojtenko, Chefredakteur des Online-Fachmagazins Meeres-Bulletin Sowfracht, geht davon aus, dass der Frachter eine streng geheime Ladung an Bord habe: "Ich glaube nicht, dass Piraten den Frachter entführt haben. Das riecht nach irgendeiner staatlichen Beteiligung. Das ist ein richtiges Mantel- und Degen-Stück wie in einem Spionageroman von (John) le Carre." Diese Ansicht teilt auch Sergej Portenko, Vizechef der russischen Seefahrergewerkschaft. In einem Interview mit der Moskauer Boulevardzeitung "Moskowski Komsomolez" sagte er: "Ich gehe davon aus, dass die Behörden längst wissen, wo das Schiff ist." Er glaubt, dass vertuscht werden soll, dass die "Arctic Sea" Waffen für Afrika geladen hat.
Gerüchten zufolge wurde der Frachter am Freitag (14.08.2009) nahe den Kapverdischen Inseln, die vor der afrikanischen Westküste liegen, gesichtet. Bestätigt wurden diese Beobachtungen jedoch nicht.
Angeblich sucht die russische Marine weiter fieberhaft nach dem Schiff und der 15-köpfigen Besatzung. Unterstützt wird Russland bei seiner Suche von Finnland, Frankreich und Großbritannien. (pan/kuk/dpa/rtr/AP)