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"Piraten ein faires Verfahren ermöglichen"

Sven Pöhle17. April 2014

Vor der somalischen Küste überfiel der Pirat ein Schiff. Jetzt wurde er zu zwölf Jahren Haft verurteilt - von einem deutschen Gericht. Völkerrechtler Oliver Daum erklärt im DW-Interview warum.

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Oliver Daum (Foto: privat)
Bild: Privat

Am 8. Mai 2010 hatten die Piraten den Tanker "Marida Marguerite" vor der Küste Somalias geentert. Nach acht Monaten gaben sie Schiff und Besatzung gegen ein Lösegeld von fünf Millionen US-Dollar frei. Die Mannschaft berichtete in der Folge von schweren Misshandlungen und Folter. Als ein 44-jähriger Somalier im Mai 2013 versuchte, illegal nach Deutschland einzureisen, wurde er gefasst. Aufgrund seiner Fingerabdrücke wurde ihm die Beteiligung an dem Überfall nachgewiesen. Jetzt stand er in Osnabrück vor Gericht.

DW: Herr Daum, zwölf Jahre Haft - so das Urteil des Landgerichts Osnabrück für einen somalischen Staatsbürger, der nach Auffassung des Gerichts an der Entführung des Chemietankers "Marida Marguerite" beteiligt war. In einem ähnlichen Fall wurden in Hamburg zehn Somalier zu Haftstrafen zwischen zwei und sieben Jahren verurteilt. Hat Sie dieses Strafmaß überrascht?

Oliver Daum: Wenn man das Urteil vergleicht mit dem Urteil vom Landgericht in Hamburg, ist das schon überraschend. Zwölf Jahre sind eine Strafe, die ziemlich hoch ist. Vor allem angesichts der Maximalstrafe von 15 Jahren, die das deutsche Gesetz erlaubt.

Der Tatort liegt vor der Küste Somalias, der Angeklagte stammt aus Somalia, die Zeugen aus Indien, Bangladesch und der Ukraine - der Prozess findet in Deutschland statt. Warum? Man könnte ihn doch auch an Somalia ausliefern.

Das Tatgeschehen ist auf einem Schiff passiert, das zu einer Reederei im Emsland gehört. Wenn ein Staat seine Gerichtsbarkeit über einen bestimmten Tatbestand ausüben möchte, ist es in der Regel so, dass er ein "rechtliches Band" - so sagt man - braucht. Dieses rechtliche Band wird dadurch gegeben, dass das Schiff zu einer deutschen Reederei gehört.

Wenn deutsche Behörden oder Soldaten einen Piraten in Gewahrsam nehmen, müssen sie auch dafür sorgen, dass der Pirat ein faires und rechtstaatliches Verfahren bekommt. Daher wird nicht jeder Pirat an die somalischen Behörden übergeben, weil dort ein derartiges Verfahren nach unseren Vorstellungen nicht garantiert werden kann.

Hat denn die Regierung Somalias kein Mitspracherecht, wenn es um die eigenen Staatsbürger geht?

Grundsätzlich schon. Aber auf völkerrechtlicher Ebene gibt es kein wirkliches Prioritätsverhältnis zwischen den Staaten, die über ein rechtliches Band zu dem Täter verfügen. In der Regel herrscht die normative Kraft des Faktischen: Dort wo sich der Täter befindet, wird auch verhandelt.

Undatiertes Archivfoto des Chemietankers "Marida Marguerite" (Foto: EPA/DIETMAR HASENPUSCH)
Für acht Monate in der Hand somalischer Piraten: die "Marida Marguerite"Bild: picture-alliance/dpa

Ist das deutsche Rechtssystem in der Lage, mit derartigen Piraterie-Prozessen umzugehen?

Das deutsche Strafgesetzbuch kennt einen Straftatbestand Piraterie als solches nicht. Wir müssen Vorlieb nehmen mit den Straftatbeständen, die bei uns unter Strafe gestellt werden. In dem Fall war es unter anderem schwere räuberische Erpressung. Das Gleiche hatten wir auch in dem Hamburger Fall.

Die Verteidiger haben Revision eingelegt. Was passiert mit dem Angeklagten nach Ende seiner Haftstrafe - so es denn dazu kommt?

Bei schweren Straftaten, wie in diesem Fall, werden Ausländer in der Regel ausgewiesen. Wir hätten dann eine völkerrechtliche Pflicht jemanden nicht auszuweisen, wenn ihm in seinem Heimatstaat eine Verfolgung droht. Den Beweis, dass eine Verfolgung für ihn droht, müsste er dann gegenüber den entsprechenden Behörden erbringen.

Die Zahl der Piratenangriffe ist weltweit gesunken. Anteil hat daran auch die EU-Operation "Atalanta". Hat die internationale Staatengemeinschaft das Problem Piraterie langsam im Griff?

Das Problem hat sich momentan mehr auf die Gewässer auf der westafrikanischen Seite verschoben. Da ist es jetzt zu mehreren Piratenangriffen gekommen. So lange das lukrativ erscheint und die westlichen Staaten nicht in der Lage sind, den Bedürfnissen der Menschen in diesen Ländern nachzukommen, wird es das Phänomen der Piraterie auch in naher Zukunft noch geben.

Oliver Daum ist Jurist und derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich des internationalen Seerechts am Trierer Lehrstuhl für Öffentliches Recht. Er ist gleichzeitig freier Mitarbeiter am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK).