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Pilgern vor der Haustür

2. August 2013

Urlaubszeit ist Reisezeit – möglicherweise auch für eine Reise zu sich selbst. Ideal dafür ist Pilgern. Antje Borchers denkt für die evangelische Kirche darüber nach, wie aus einer Tradition eine moderne Bewegung wurde.

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Norwegen 3 Bildtitel: Pilger auf dem Olavsweg Bildbeschreibung: Pilger auf dem Olavsweg, Norwegen Schlagwörter: Norwegen, Olavsweg, Pilgern, Wandern, Pilgerweg Herkunft: DW Eigendreh Zulieferer: Susanne Richter
Pilger auf dem OlavswegBild: DW

Autorin: Hape Kerkeling, Shirley MacLaine und Richard Gere tun es, von denen man es nicht unbedingt erwartet hat. Papst Johannes Paul II. tat es, von dem man es durchaus erwartet hat. Pilgern – diese uralte Weise, sein Leben zu ordnen – Pilgern ist in allen Religionen wieder modern. Der berühmteste Pilgerweg der Christen, der Jakobsweg, ist dementsprechend in der Pilgersaison voll. Aber nicht jeder hat die Zeit und das Geld, um sich in Spanien auf den Pilgerweg zu begeben. Darum gibt es mittlerweile Pilgerwege gleich hier um die Ecke, erzählt Monika Korbach aus Detmold.

Monika Korbach: „Das ist ein Projekt im Rahmen der Erwachsenenbildung (…): „Pilgern vor der Haustür“ ist modern geworden. (…) Es entstehen Pilgerwege von Kirchengemeinden, von Landeskirchen, einfach, um Menschen vor der Haustür ein Angebot zu machen.“

Autorin: Monika Korbach verantwortet die Pilgerangebote in der Lippischen Landeskirche. Hier im malerischen Teutoburger Wald, rund um Detmold hat sich das Pilgern breit gemacht. Genau wie in anderen Regionen  Deutschlands. Warum pilgern Menschen? Warum ist das wieder so modern geworden?

Monika Korbach: In unserer Welt, in der immer mehr Menschen immer mehr ihrer Arbeitszeit vor dem PC verbringen, muss es einen Ausgleich geben, einen Ausgleich (…) zurück zur Natur, zurück zur Gemeinschaft, weg vom vereinzelten Arbeitsplatz. Das suchen Menschen bei uns auf den neu entstandenen Pilgerwegen.“

Autorin: Aber es sind nicht nur PC-Arbeiter, die in Lippe pilgern. Frauen, Familien, Kinder, Schülergruppen, Männer, sie alle finden sich während der Pilgersaison, also von März bis Oktober, zu den Lippischen Pilgersonntagen ein. Die Pilger im Mittelalter pilgerten, um am Zielort gesund zu werden, zum Beispiel in Lourdes. Oder sie pilgerten, um für Fehltaten zu büßen. Manche ließen sogar pilgern. Sie wollten Gott dadurch gnädig stimmen. Dass Gott längst gnädig ist, das hat der Reformator Martin Luther beim Bibelstudium wiederentdeckt. Wer heute pilgert, sehnt sich nach ganz anderem:

Monika Korbach: „Entschleunigung, in einer Gruppe unterwegs sein, Kirchen als Orte der Ruhe und Kraft erleben, Sonntags nicht alleine sein. Das heutige Pilgern ist (…) die Suche nach Freiräumen für die Seele, in der wieder mal die eigene Existenz angeschaut werden kann oder die Existenz Gottes gefunden werden kann.“

Autorin: Pilgern ist Beten mit den Füßen. Das erleben die Menschen auf dem alten Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Und das erleben sie eben auch auf dem Lippischen Pilgerweg, beim Pilgern vor der Haustür. Lippe bietet sich als Pilgerregion an. Liebliche Hügel, Wiesen und Wälder, Bäche und Getreidefelder, da geht einem das Herz auf. Da erlebt man einen besonderen „Gottesdienst“.

Monika Korbach: „Ein Beispiel: Wenn Sie Psalm 104, das ist der Schöpfungspsalm im Psalter, wenn Sie den auf einer harten Kirchenbank hören, dann hat der ‘ne ganz andere Ausstrahlung, als wenn Sie den (…) in der freien Natur hören und die Vögel zirpen hören und die anderen Geräusche des Waldes und des Windes, dann entfaltet dieser Psalm noch einmal eine Kraft, die Sie einfach in einer Kirche nicht haben.“

Autorin: Als Monika Korbach und ihre Kolleginnen den Lippischen Pilgerweg ausgearbeitet haben, waren ihnen drei Dinge wichtig:

Monika Korbach: „Schöne Strecke, schöne Kirchen und Naturdenkmäler, zum Beispiel die Externsteine.“

Autorin: 162 km ist er lang, unterteilt in elf kleine Pilgerwege, alle unterschiedlich lang. Jeder kleine Pilgerweg beginnt an einer lippischen Kirche oder einem ehemaligem  Kloster und endet – einige Kilometer später – in einer anderen Kirche. Wer auf einem geführten Pilgerweg mitgeht, kann sich selbst auf die Spur kommen und kann Gott auf die Spur kommen. Denn es gibt während des Weges Impulse, um über sein Leben nachzudenken. Der erste Impuls ist der Reisesegen, mit dem die Gruppe losgeht.

Monika Korbach: „Unterwegs gibt es Gebete, Lieder (…) Die Impulse sind auch: Wir laden Sie jetzt ein, einmal eine halbe Stunde als Gruppe schweigend durch den Wald zu gehen. Das ist ein ganz besonderes Erlebnis. Die erleben die Natur intensiver wahr, sie hören die Stille. Und: Sie sind trotzdem nicht allein unterwegs. (…) Das kommt einem am Anfang etwas komisch vor: so ‘ne schweigende Gruppe im Wald. Ich habe das erst lernen müssen, (…) wie wohltuend das ist.“

Autorin: Wohltuendes Pilgern, in Spanien oder in Lippe. Überall kann man äußerlich zur Ruhe kommen und sich innerlich sortieren. Diese Zeiten braucht jeder Mensch immer ‘mal. Deshalb wird Pilgern nie wirklich unmodern werden.

Antje Borchers ist Diplom-Medienwirtin und Journalistin. Sie betreibt eine Agentur für Kommunikation, Medienarbeit und Pressearbeit. Vorher hat sie viele Jahre als Chefredakteurin einer christlichen Jugendzeitschrift gearbeitet. Seitdem macht sie auch Radio, zum Beispiel Morgenandachten. Vorher war sie in Idstein/Taunus und hat dort als Gemeindediakonin die Jugendarbeit der evangelischen Kirchengemeinde geleitet. Sie wohnt mit ihrem Mann in Lemgo/Lippe.

Borchers
Antje BorchersBild: DW