Pilgern nach El Rocío
3. Juni 2008Die Kirche San Salvador im Herzen Sevillas ist so voll, dass man keinen Sitzplatz mehr findet. Aber das ist den Katholiken, die an diesem Morgen um acht Uhr gekommen sind, egal. Es gibt keine Sitzplätze mehr, die Massen drängen von der Straße herein. Frauen mit Kunstblumen im Haar und Flamenco-Kleidern in grellen Farben. Männer im schnittigen Anzügen und Hut.
Eine Million Pilger jedes Jahr
Es ist der Morgen vor der Pilgerschaft zur Heiligen Jungfrau des Morgentaus – der "Virgen del Rocío“. Gleich nach der Messe ziehen sie los: Abertausende Pilger strömen aus allen Teilen Andalusiens in das 800-Seelen-Dorf bis sie sich zu einer Million Gläubigen vereinen, die ekstatisch vor der Heiligen Jungfrau in die Knie fallen.
Noch ist es aber nicht so weit: Drei Tage lang dauert die Pilgerschaft von Sevilla aus, für 80 Kiliometer ist das ein gemütliches Tempo. Mit den von Ochsen gezogenen Kutschen, Pferden und Traktoren schaffen die Pilger am Tag nur rund 25 Kilometer.
"El Sinpecado"
Es läuft hier auch niemand alleine. Die allermeisten gehören einer Bruderschaft an – einer katholischen Gemeinde. Das jeweilige Wappen, das Wahrzeichen der Bruderschaft, wird auf einer reich geschmückten Kutsche mittransportiert. Es ist eine Miniatur der Heiligen Jungfrau von El Rocío und nennt sich "Sinpecado“ – die Sündenfreie. Die ganz besonders Gläubigen laufen den ganzen Weg mit einer Hand an der heiligen Kutsche. Oft gehen sie mit gesenktem Kopf und murmeln Gebete vor sich hin.
Pilgern und Party
Nicht immer sieht es hier allerdings nach frommer Buße aus. Von den Kutschen erklingt lautes Lachen, bis spät in die Nacht wird gesungen, getanzt und getrunken. Ein Österreicher läuft den Weg mit, und schaut bewundernd aber auch belustigt auf die katholischen Pilger. "Es sieht hier schon alles eher aus wie eine große Party“, sagt der Pilgertourist.
Ein bisschen sündigen wird wohl erlaubt sein, findet der katholische Pfarrer, der mitpilgert: "Das hier ist kein einfacher Weg, aber klar, wir dürfen nicht vergessen, dass es auch ein festlicher Weg ist. Ganz klar ist das hier auch ein Ort, wo sich Fest, Gesang und Tanz mischen und natürlich die Vorfreude auf die Heilige Jungfrau."
Die Jungfrau im Baum
Die Legende besagt, dass die Figur der Heiligen Jungfrau von El Rocío im 15. Jahrhundert von einem Jäger auf einem Baum gefunden wurde. Er holte sie herunter und nahm sie mit – am nächsten Tag jedoch, war die Jungfrau wieder auf dem Baum. Seit dieser Begebenheit ist die Figur heilig.
Die Jungfrau kommt aus der Kirche
Der Höhepunkt in El Rocío ist die Nacht des Auszugs der Jungfrau aus der Kirche. Im ganzen Dorf reihen sich dann die katholischen Gemeinden, man nennt sie hier Bruderschaften, in einer endlosen Schlange aneinander – sie alle wollen die "Virgen" begrüßen, wenn sie aus der Kirche herausgetragen wird. Beim Anblick der Jungfrau, wird in dieser Nacht den Emotionen freien Lauf gelassen.