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Physik-Nobelpreis für drei Astrophysiker

Brigitte Osterath
8. Oktober 2019

Dieses Jahr ist in Stockholm wieder die Astronomie an der Reihe. Zwei Schweizer und ein Kanadier erhalten den Nobelpreis für ihre Entdeckungen, dass das Universum noch ungewöhnlicher ist - und spannender - als gedacht.

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Das Nobelpreiskomitee gibt die Preisträger für Physik 2019 bekannt
Das Nobelpreiskomitee gibt die Preisträger bekanntBild: picture-alliance/dpa/C. Bresciani

Schon Tage vor der Verkündung wurden viele Journalisten nervös: Welche Entdeckung würde diesmal mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet? Wieder ein theoretisches Phänomen aus den Tiefen der Physik, das Normalsterbliche nur schwer fassen können, wie im Jahr 2016 die theoretische Entdeckung von topologischen Phasenübergängen? Oder doch die Quantencomputer, deren Funktionsweise allerdings genauso schwer zu begreifen ist?

Die Erleichterung ist groß, als Göran Hansson, Generalsekretär der königlich-schwedischen Akademie der Wissenschaften, mit fünfminütiger Verspätung die Entscheidung verkündet: Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an drei Astronomen.

Die eine Hälfte des Preises erhalten die beiden Schweizer Michel Mayor und Didier Queloz von der Universität Genf, die andere Hälfte geht an James Peebles, einen gebürtiger Kanadier, der aber schon lange in den USA forscht und lebt. Alle drei hätten zu unserem Verständnis beigetragen, wie sich das Weltall entwickelt hat und welchen Platz unsere Erde im Kosmos innehat, heißt es aus Stockholm. 

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Infografik die meisten Nopelpreise Physik DE

"Das Weltall ist wie eine Tasse Kaffee"

Der jetzt 84-jährige James Peebles habe mit seinen theoretischen Berechnungen die "dunklen Bestandteile unseres Universums enthüllt", sagte Ulf Danielsson, Professor für theoretische Physik und Mitglied des Nobelpreis-Komitees. Dafür nutzte Peebles die kosmische Hintergrundstrahlung, eine das ganze Universum ausfüllende Mikrowellenstrahlung, die kurz nach dem Urknall vor fast 14 Milliarden Jahren entstand, aber immer noch messbar ist. 

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Was ist Dunkle Materie?

Das Ergebnis seiner Berechnungen ergab ein Universum, das viel vielschichtiger ist, als was wir sehen und bis heute verstehen. Ulf Danielsson vergleicht es mit einer Tasse Kaffee. Der Hauptteil des Getränks – der Kaffee also – entspricht mit 69 Prozent der Dunklen Energie, einer hypothetischen Energieform, über deren Zusammensetzung Forscher auch heute noch im Dunkeln tappen.

Danielsson gießt einen guten Schuss Sahne in den Kaffee – "26 Prozent, das ist die Dunkle Materie", eine postulierte Form von Materie, die nicht direkt sichtbar ist, deren Anwesenheit aber indirekt messbar ist. Und lediglich der Zucker, mit fünf Prozent ein winziger Teil im Kaffee-Universum-Gemisch, besteht aus gewöhnlicher Materie.

"Dunkle Energie und Dunkle Materie sind noch immer ein großes Geheimnis", sagt James Peebles, der per Telefon live nach Stockholm zugeschaltet wird. "Es gibt also noch immer viele offene Fragen." Er erzählt schmunzelnd, dass er im Jahr 1964 in den Wissenschaftszweig der Kosmologie einstieg, obwohl es damals so gut wie keine Experimente oder Beobachtungen gab, die die theoretischen Berechnungen stützten. "Wissenschaft muss man der Faszination wegen machen, nicht weil man Pläne hat, Auszeichnungen zu bekommen." 

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Die Suche nach der Weltformel der Physik

Fremde Welten entdecken

Mit dem Zucker im Kaffee, also der beobachtbaren Materie, beschäftigten sich die beiden anderen Nobelpreisträger, Michel Mayor und Didier Queloz. Sie entdeckten im Jahr 1995 erstmals einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, auch Exoplanet genannt. "Das veränderte für immer unsere Sicht auf den Platz der Erde im Universum", sagt Mats Larsson vom Nobelpreis-Komitee. Eigentlich ist das Sonnensystem also gar nichts Ungewöhnliches.

Der Planet 51 Pegasi b, der erste beobachtete Exoplanet, ist ein Gasriese, etwa halb so schwer wie der Planet Jupiter, und kreist mehr als 50 Lichtjahre weit weg um den sonnenähnlichen Stern Helvetios im Sternbild Pegasus.

Exoplaneten ließen sich damals nur indirekt nachweisen. Die Astronomen bestimmten das Wackeln des Sterns, ausgelöst durch die Gravitation des um sie kreisenden Planeten.

"Endlich!"

Im Internet munkelte man bereits, dass die Entdecker des ersten Exoplanets heiße Kandidaten für einen Nobelpreis wären. Dieser Auffassung war man auch unter Astronomen, sagt Heike Rauer, Direktorin am Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt. "Ich hab gedacht: endlich! Es hat sehr lang gedauert, aber Mayor und Queloz haben es wirklich verdient."

Nach der Entdeckung von 51 Pegasi b ist ein ganz neues Forschungsgebiet entstanden, das sich mit der Suche nach und der Untersuchung von Exoplaneten befasse. Heute sind über 4000 solcher Planeten bekannt.

Man mag sich vielleicht fragen, warum es überhaupt so eine große Überraschung war, dass es auch um andere Sterne Planeten gibt. Schließlich hat doch unsere eigene Sonne alleine mindestens schon acht. "Wenn Sie sich überlegen, wie unser Sonnensystem aus einer rotierenden Gasscheibe entstanden ist, dann passiert das natürlich auch um andere Sterne. Das hat man immer geglaubt", sagt Rauer. "Aber es ist ein Unterschied von 'ich vermute das' zu 'ich hab es wirklich gesehen'." 

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Nicht unumstritten

Mayors und Queloz' Leistung bestand auch darin, den Mut zu haben, die Messergebnisse in Richtung eines Exoplaneten zu deuten, erzählt René Heller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen gegenüber der Deutschen Welle.

Auch Heller forscht an Exoplaneten. "Mayors und Queloz' Entdeckung war kontrovers", erzählt er. "Fünf Jahre lang gab es eine Debatte: Handelt es sich bei dem Objekt wirklich um einen Planeten? Oder nicht doch um einen massearmen Stern?" Erst im Jahr 2000, als man beobachtete, wie ein anderer Exoplanet vor seinem Stern vorbeizog, habe man tatsächlich geglaubt, dass Mayor und Queloz recht haben, erzählt Heller.

"51 Pegasi b war so ungewöhnlich, so anders, als alles, was wir vom Sonnensystem her kennen." Die Umlaufzeit um seine Sonne beträgt nur knapp über vier Tage, er ist damit noch näher an seinem Stern als Merkur an unserer Sonne.

Inzwischen weiß man: Das ist gar nicht so untypisch. Viele Planeten in anderen Teilen des Universums sind ganz anders als die acht Planeten in unserem Sonnensystem. "Man hat damals nicht vermutet, dass es unter Planeten eine so große Vielfalt gibt", erzählt Heike Rauer. "Es gibt Planeten mit elliptischen Bahnen, Gasplaneten nah am Stern, Mini-Gasplaneten, die nicht viel größer sind als die Erde,  heiße Mini-Gasplaneten, kalte Mini-Gasplaneten, Planeten, die um ganz andere Sterntypen kreisen – kurzum: Planetentypen, von denen man vorher nichts wusste."

Eine zweite Erde

Eine ganz besondere Art von Exoplanet haben Forscher allerdings bis heute nicht entdeckt, sagt Rauer: einen, der so groß und schwer wie unsere Erde und im richtigen Abstand um einen sonnenähnlichen Stern kreist – eine zweite Erde also.

"Heutzutage findet man im Jahresrhythmus hunderte neue Planeten", sagt Heller, "aber erdähnliche Planeten sind am schwersten zu finden, weil sie so klein sind."

Das ESA-Projekt Planetary Transits and Oscillations of stars (PLATO), an dem sowohl Rauer als auch Heller mitarbeiten, will das ändern. Beide Forscher sind derzeit bei dem Projekttreffen Plato Week 9 im französischen Marseille. Die Raumsonde soll 2026 ins All starten und Exoplaneten beim Durchgang des Planeten vor der Sternenscheibe entdecken und charakterisieren. Dabei sollen bis zu einer Million Sterne untersucht werden. Der Fokus liegt auf der Suche nach erdähnlichen Planeten.

Doch selbst, wenn man einen solchen findet, bleibt natürlich die spannende Frage: Gibt es dort außerirdisches Leben? Science-Fiction-Fans werden von James Peebles Antwort auf diese Frage enttäuscht sein. Dass es irgendwo Leben gibt, sei wahrscheinlich – "aber ich bin mir sicher, dass wir es niemals zu Gesicht bekommen werden." 

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Infografik Nobelpreis Physik Verteilung Frauen Männer DE

Im vergangenen Jahr wurde die bislang erst dritte Frau mit dem Physik-Nobelpreis geehrt: Die Kanadierin Donna Strickland für ihre Forschungen in der Laserphysik. Nur zwei Frauen bekamen vor ihr den Physik-Nobelpreis: Marie Curie 1903 und Maria Göppert-Meyer 1963.

Der Medizin-Nobelpreis, der gestern (7.10.) verliehen wurde, geht an drei Zellforscher. William Kaelin und Gregg Semenza aus den USA sowie der Brite Sir Peter Ratcliffe wurden für ihre Entdeckungen ausgezeichnet, wie sich eine Körperzelle auf eine sauerstoffarme Umgebung einstellt. Der Mechanismus, den die Forscher entschlüsselt haben, erlaubt es Menschen beispielsweise, Gebiete in verschiedenen Höhen zu bewohnen.

Am Mittwoch (9.10.) wird der Nobelpreis für Chemie vergeben.