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Russisch-ukrainische Fotoausstellung

Manasi Gopalakrishnan
11. Juli 2022

Die Schau "PHOTO no SHOOTING!" im Museumsberg Flensburg zeigt Arbeiten zweier preisgekrönter Fotografen - des Russen Dmitry Vyshemirsky und des Ukrainers Yuriy Kosin.

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Eine Frau fährt auf dem Fahrrad an einem Laster vorbei, auf dem eine gestürzte Lenin-Statue liegt.
Die Aufnahme stammt vom ukrainischen Fotografen Yuriy KosinBild: Yuriy Kosin

In den Sommerausstellungen vieler deutscher Museen geht es um leichtere Themen. Michael Fuhr, Kurator des Museumsbergs Flensburg, entschied sich dagegen, die Augen nicht vom aktuellen Weltgeschehen abzuwenden. "Wir hatten für diesen Sommer eine andere Ausstellung geplant", sagt Fuhr im Gespräch mit der DW. 

"Aber nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hatte ich das Gefühl, dass ich nichts Leichtes ausstellen kann, und ich wollte unbedingt etwas zu diesem Thema machen und möglichst einen Beitrag zum Frieden leisten." Heraus kam die Ausstellung "PHOTO no SHOOTING!", ein Wortspiel mit dem Begriff "Photoshooting", der sich aus den englischen Wörtern für "Foto" und "Schießerei" zusammensetzt.

Ukrainer erzählen vom Leben unter russischer Besatzung

Im März erhielt Fuhr einen Anruf von dem in Berlin lebenden russischen Fotografen Dmitry Vyshemirsky, der vorschlug, eine Ausstellung zum Ukraine-Russland-Krieg zu organisieren. "Und dann schlug er vor, seinen Freund Yuriy Kosin einzubeziehen, der zu diesem Zeitpunkt aus der Ukraine floh", erzählt Fuhr. Kosin lebte in Irpin, das von den russischen Streitkräften schwer bombardiert wurde. Kosin floh zu Fuß, erst nach Kiew und dann weiter nach Krakau, wo seine Tochter lebt.

"Dmitry erreichte ihn am Telefon. Yuriy erzählte mir später, dass dies ein sehr, sehr wichtiger Moment für ihn war. Er wusste, dass er fliehen musste, aber auf der anderen Seite wartete jemand auf ihn, und dort war ein Projekt in Planung. Das hat ihm Mut gemacht", erinnert sich der Kurator.

Vyshemirsky: "Ukrainer mit russischem Pass"

Es sei sehr ungewöhnlich gewesen, diese Ausstellung zu kuratieren, weil er die Fotografen nicht zur Auswahl der Bilder habe einladen können, sagt Michael Fuhr. Zudem sei es schwierig gewesen, überhaupt Bilder zu bekommen. Yuriy Kosin habe auf seiner Flucht nur mitgenommen, was er tragen konnte.

"Ich musste zuerst einen Laptop für ihn organisieren", erzählt Fuhr. "Ich habe das Geld überwiesen, damit seine Tochter einen kaufen konnte. Und dann hat er mir die Fotos geschickt, die er auf einer Festplatte gespeichert hatte." Schließlich gelang es Fuhr, hochauflösende Bilder zu bekommen, die er für die Ausstellung in Flensburg ausdruckte.

Die Ausstellung ist auch ungewöhnlich, da sie die Arbeiten eines russischen Fotografen mit denen eines ukrainischen Fotografen zusammenbringt. Vyshemirsky sage häufig, er sei ein "Ukrainer mit russischem Pass", so Fuhr. In der Ukraine in eine Familie geboren, die unter dem repressiven Regime der Sowjetunion als "politisch unzuverlässig" galt, wurden die Vyshemirskys von den Behörden mehrmals zwangsumgesiedelt, bis sie sich 1960 schließlich in Kaliningrad niederließen, weshalb der Fotograf einen russischen Pass besitzt.

"Für mich sind Russland und die Ukraine in meinem Herzen vereint. Ich habe zwei Kulturen. Es tut mir Leid, wenn ich höre, dass viele Künstler aus der Ukraine nichts mit ihren russischen Kollegen zu tun haben wollen", sagte Vyshemirsky dem deutschen TV-Sender NDR. Auch Kosin hält die Feindschaft zwischen den Menschen der beiden Länder für reine Propaganda. "Es gibt keinen Konflikt zwischen Russen und Ukrainern", sagte er dem NDR. "Sie sind seit Jahren befreundet."

Ende der Sowjetunion prägnant eingefangen

Die scharfen blauen Augen eines Soldaten blicken in die Kamera, Kinder verstecken sich hinter einer Mauer, Jungen planschen in einem Bach: Dies sind einige Eindrücke aus der Ukraine, gesehen durch die Augen von Vyshemirsky und Kosin.

"Eines meiner Lieblingsfotos ist von Yuriy Kosin", sagt Michael Fuhr. Das Bild, 2004 während der sogenannten Orangenen Revolution aufgenommen, zeigt eine riesige Lenin-Statue, die von ihrem Sockel gestürzt und auf einen Lastwagen geladen wurde, um abtransportiert zu werden. In diesem Moment fährt eine Bäuerin mit ihrer Ernte auf dem Fahrrad vorbei. "Ich finde dieses Foto so erstaunlich, weil ich mir kein anderes vorstellen kann, das das Ende der Sowjetunion so prägnant einfängt", sagt Fuchs.

Fotos einer bewegten Geschichte

Die Fotos erzählen die Geschichte der Orangenen Revolution, des Euro-Maidan und der Tschernobyl-Tragödie, sagt der Kurator, der das Ziel der Ausstellung darin sieht, "der Öffentlichkeit in Deutschland zu zeigen, was für ein Land die Ukraine wirklich ist, ihre Geschichte und Kultur. Was sind das für Menschen, die dort leben? Was bewegt sie und was verlieren wir alles in diesem Krieg?"

Die Ausstellung "PHOTO no SHOOTING!" ist noch bis 23. Oktober 2022 zu sehen.

Übersetzung aus dem Englischen: Nikolas Fischer, Torsten Landsberg